Alledaagsheid van het kwaad…

Als je zou denken dat wij als mensen vooral met redelijkheid en medemenselijkheid zijn gezegend heb je van de mens niet veel begrepen. Al bijna mijn hele leven vraag ik mij af hoe het komt dat er zoveel slechtheid in een mens kan heersen, hoeveel wreedheid en hoeveel geweld tegen medemensen. Elke eeuw kent zijn progroms, vernietiging van andersdenkenden, van zogenaamde vreemdelingen etc. De vorige eeuw spande in mijn ogen tot nu toe de kroon: Hitler, Stalin en Mao Zedong zijn drie broeders in het kwaad. Miljoenen kwamen om door hun toedoen. Concentratie- en vernietigingskampen, Goelags, arbeids- en zogenaamde heropvoedingskampen leidden tot al die doden. Ook in onze eeuw is dit onmenselijke gedrag van leiders in totalitaire landen niet gestopt. Oeigoeren als bevolkingsgroep in China, de hele bevolking van Noord Korea die gegijzeld wordt (buiten de meelopers en de medeplichtigen, moordenaars en dieven), bevolkingen in landen die bruut geregeerd worden door dictators, het zijn evenzovele voorbeelden. Je protesteert tegen je politieke leiders, je wordt gevolgd, je bent opeens een staatsvijand en je verdwijnt met een vage aanklacht zonder bewijzen voor jaren achter de tralies of in een strafkamp. In het ergste geval wordt je op straat vermoord. Niet alleen politiek actieve mensen treft dit lot, ook heel veel journalisten. De (vrije) pers is de vijand van de autocraten en moordenaars. In een mens kan een duivel schuilen. Getuigenissen uit Kolyma (Goelag in het zuid-westen van Siberië), uit Auschwitz en al die andere kampen maken dit meer dan duidelijk. Naast goedheid van mensen (dat bestaat ook nog), hemeltergende misdaden van ontaarde individuen en collectieven. Terwijl toch iedereen opgroeide als baby, als kleuter, als kind. Hoe kan het zo ontaarden? Stefano Massini heeft hierover een tekst geschreven als inleiding op een voorbeeld uit Rusland waar in 1933 in het kamp Nasino een onmenselijk experiment werd opgezet onder goedkeuring van Stalin met heel veel slachtoffers. Ik citeer niet dit voorbeeld, dat moet je zelf maar lezen in dit prachtige boek. Maar wel de inleiding, het opstapje. In dit citaat wordt duidelijk hoe het boze aan het licht kan komen als vorm van ongeduld en intolerantie. Huidige politieke partijen, ook in Nederland, zouden zich hierop moeten bezinnen. Zeker als ze stellen dat alle andersdenkenden geen vrije ruimte meer moeten krijgen (verbod van de pers, demonisering van de pers en de persvrijheid) en als ze komen met voorstellen bepaalde mensen en groepen uit de samenleving te weren omdat ze geen Nederlander, geen christen, geen blanke zijn. De stap naar onmenselijk geweld tegen alle anderen is snel gezet, sneller dan ik hier in woorden kan weergeven. Daarom ook dit citaat, ter overdenking:

Jeder von uns ist Satan. Ob es uns gefällt oder nicht, wir sind imstande, zu hassen, Scheusslichkeiten aller Art zu begehen und blutige Rache zu nehmen, und steigen nur zu gern in die erbärmlichsten Tiefen der Niedertracht hinab. Die Religionen sprechen davon als dem Dunkel der Sünde, das dem Licht der Offenbarung entgegengesetzt ist. Merkwürdig, denn am Anfang von allem stand ein Wettstreit darum, wer am hellsten leuchtete. Der dritte Platz auf dem Podium, nach der Sonne und dem Mond, gebührte Venus. Sie ist der hellste Himmelskörper an unserem Himmel und nur im ersten Tageslicht sichtbar. Darum erhielt der Planet schon in der Antike den Namen Morgenstern, und die ihm verbundene Gottheit hiess Luzifer, also »Lichtbringer«. Schon in der klassischen Zeit schien dieser strahlende Stern der Sonne ihren göttlichen Vorrang streitig machen zu wollen und wurde deshalb zum Sinnbild des Zwists, der Trennung (nicht ohne Grund bedeutet das griechische Wort diábolos: Verleumder, nach dem griechischen diabállein: entzweien, verfeinden). Die jüdisch-christliche Tradition besorgte den Rest: Luzifer, später Satan genannt, war der Fürst der gegen Gott rebellierenden Engel. In seinem Umkreis sollten sich dann alle wiederfinden, die sich von Anfang an nicht hatten unterordnen wollen, beginnend mit dem Gott des Geizes Mammon (auf Hebräisch »verborgener Schatz«, siehe auch das italienische Wort »mammona« -Teufel), bis zum schrecklichen Beelzebub (dem »Herrn der Fliegen« oder auch der Krankheiten, die zum Tode führen, denn die Toten sind von Fliegen bedeckt), nicht zu vergessen die sagenumwobene Lilith, die Eva als Gefährtin Adams vorausging, von ihm aber verstossen wurde, weil sie sich weigerte, ihm gehorsam zu sein. Dieser gut sortierte Club aus Teufeln wacht also über alles, was wir mit dem allgemeinen Etikett des Bösen versehen, unabhängig davon, dass es sehr unterschiedliche, vielfältige Gesichter haben kann. Das bekannteste zeigt sich, wenn unser bestialischer Anteil die Oberhand gewinnt und sich weigert, das schrittweise Vorangehen begründeten Argumentierens und die Langsamkeit der Einsicht, also die allmähliche Herausbildung eines wechselseitigen Vergleichs zu akzeptieren. Kurz, Luzifer ist zwar kein Uhrmacher, aber es geht hier vor allem urn eine Frage der Zeit. Sich dem Gegenüber verständlich zu machen, braucht Zeit, ihn sofort anzugreifen stellt dagegen eine schnelle und scheinbar einträgliche Taktik dar, weil sie als konkrete Aktion frei von Bedeutungsnuancen ist. Der Mensch hat eine aus-geprägte Neigung, Wortgefechte zu führen, Kompromisse auszuhandeln und die eigene Unversöhnlichkeit abzumildern, doch jede dieser Strategien erfordert Kraft, Mühe und Toleranz. Darum bietet sich verlockend der satanische Weg an, bei dem man auf ein schnelles, einträgliches Ergebnis abzielt, indem man aus dem Gesprächspartner ein Hindernis macht, dessen man sich möglichst schnell entledigt. Hier entsteht das Böse: im Wesentlichen aus der Ungeduld. So wie bei den Konflikten zwischen Staaten, wenn der militärische Weg den langsameren diplomatischen Weg mit seinen zahlreichen Zwischenstufen ersetzt. Andererseits ist die Beleidigung, linguïstisch gesehen nichts anderes als ein Geräusch, das benutzt wird, um komplexe Stimmungslagen in einem Konzentrat zu verdichten, ohne sich in langwierigen Beweisführungen zu ergehen. Wenn wir zu einem Schimpfwort greifen, tun wir nichts anderes, als einen Zeitverlust zu vermeiden, indem wir die Botschaft wachsenden Grolls klar und deutlich herüberbringen. Wird diese Warnung -die häufig einer Drohung gleichkommt -vom Adressaten nicht aufgenommen, bringt uns ein vergleichbarer Mechanismus dazu, Formalitäten abzukürzen und jetzt zu Taten zu schreiten. Das Böse ist nicht nur eine Degeneration, oft ist es die schnellste Methode, einen Konflikt zu lösen, und als solche stützt es sich auf eine immer gleiche Lüge: Es ist die implizite Behauptung, dass man bereits sämtliche rationalen und emotionalen Ressourcen ausgeschöpft hat, die das Schlimmste hätten vermeiden können. Hörner und Bocksfüsse spielen hier keine Rolle: Mit Hass und Verleumdung will man Wartezeiten überspringen, damit man sich wieder seinen Hobbys widmen kann. 

Das gilt für alle Anlässe, in denen etwas auf dem Spiel steht, was Menschen einander streitig machen, und hat einer es erhalten, führt das meist zum Ende der Feindseligkeiten. Doch was geschieht, wenn das Böse als grund-loser Vulkanausbruch daherkommt, spektakulär und zerstörerisch, aber ganz und gar nutzlos? Was geschieht, wenn die Verletzung, die du zugefügt hast, dich weder einen Krieg noch ein Turnier gewinnen lässt, sondern dir nur die Lust am Anblick rohen Fleisches verschafft? Hier wird die Sache tatsächlich kompliziert, denn wir berühren den entscheidenden Punkt des sogenannten Abscheulichen, das den Umkreis des Menschlichen endgültig verlässt. Und hier kann uns der Gotha biblischer Dämonen wirklich helfen: von Moloch über Belphegor bis Azazel. Diese Dämonen entstammen zum Grossteil heidnischen Riten der Assyrer und Phönizier, die den Zorn, den Wutausbruch, die Raserei verkörperten, weshalb ihnen zur Besänftigung Menschenopfer dargebracht wurden. Mit anderen Worten, sie waren Gesicht und Name jener grässlichen Seiten des Menschseins, des Abgrunds einer irrwitzigen, perversen Gewalt, die keinen anderen Sinn hat als das Auskosten einer vermeintlichen Allmacht. Diese Dämonen waren ekelhafte Wesen, deformierte Körper nur aus Zunge, Zähnen und Krallen, als wollten sie demonstrieren, dass sie nicht zur menschlichen Gemeinschaft gehörten. Ihre unmenschliche Grausamkeit nährte sich von Bestialität. 

Relikte antiker Barbareien, werdet ihr sagen. 

Mitnichten, im Gegenteil: Unsere Strassen sind voll von Verkörperungen des Beelzebub und Asmodäus, wir begegnen ihnen im Fastfood-Lokal und im Outlet, ausserdem im Spiegel, wenn wir uns betrachten. Das Untertauchen ins Böse ist eine weitverbreitete Erfahrung im narkotisierten Alltag unserer Grossstädte. Ein stummer Teil von uns will sich von seiner schlechtesten Sei-te zeigen, sucht dabei aber nichts anderes als einem Adrenalinstoss, die flüchtige Illusion, sich jedem moralischen Kriterium zu entziehen und über das Schicksal anderer zu entscheiden. Was für ein köstlicher Spass. Im zügellosen Hass fühlen wir uns in den Rang von Richtern, wenn nicht von Gottheiten erhoben. 

Zugegeben, echtes Blut fliesst nicht, keiner sticht seinen Nachbarn zwischen den Hecken im Park ah, wie Jack the Ripper. Nun gut. Aber was bedeutet das? Sich die Hände mit Blut schmutzig zu machen, wäre heute nur ein bedauerlicher Mangel an Stil, urn nicht zu sagen, ein Affront gegen den heutigen Hygienewahn, wo alles sich ständig wie besessen gegen Mikroben und Bakterien desinfiziert. Nein: Menschopfer werden heute mit einem sterilen aseptischen Ritual vollzogen. Im dritten Jahrtausend, in dem jedes Wesen vor allem eine virtuelle Erzählung ist, genügt es, sich in die sozialen Medien zu begeben, urn dem Blutbad beizuwohnen. Dort triumphiert der Gott Baal mit seinen Orgien grundloser Gewalt, während Moloch keine Gelegenheit versäumt, heiligen Zorn in jedem zu entzünden, der sich zufällig dem Umkreis seines Tempels nähert. Hier gibt es keinen triftigen Grund, dem eigenen Zerberus den Maulkorb abzunehmen, wir begnügen uns damit, aus einer Quelle ewigen Grolls zu trinken. Freilich merken wir dabei nicht, wie tief das Ritual uns hinabzieht (Belial, ein anderer biblischer Dämon, wurde als »der Gott des Nichtwiederaufstehens« bezeichnet). Wehe dem, der einen Lichtschimmer kritischen Geistes wagt -der Gang in die Unterwelt erlaubt keinen Wiederaufstieg.

John Hacking 

27 juli 2021

bron:

Massini, Stefano, Das Buch der fehlenden Wörter, aus dem Italienischen von Annette Kopetzki, München 2020, (Carl Hanser Verlag), p. 135-140

Een gedachte over “Alledaagsheid van het kwaad…

  1. Dat ieder van ons een satan zou zijn geloof ik niet. Het is eerder de machteloosheid van het goede dat in velen aanwezig is, een machteloosheid die ontstaat door meningen en uitingen als grootste gemene delers. Wij zijn hoe dan ook ‘ingewikkelder’ en waaieren alle kanten uit. Aandacht dus voor de verschillende mogelijkheden die het zelfs tegen elkaar opnemen in dezelfde mens. Het digitale klimaat zorgt voor een overal aanwezige grootste gemene deler-mening, eigen aan ‘we moeten iedereen bereiken’ die in feite een klimaat schept dat bij niemand thuishoort.. Wij zijn geen formules.

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