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Gettoteksten

  • Hermann Adler  – Was geschieht, heißt bald -Legende!
  • Hermann Adler –  „…Liebe den Nächsten wie dich!«
  • H.G.Adler – Nachtgesang unter der Erde
  • Rosebery d’Arguto – Jüdischer Todessang
  • Der Todestango
  • Ilse Blumenthal-Weiss – Für Peter David Blumenthal
  • Ilse Blumenthal-Weiss – Häftlinge
  • Joseph Drexel – Krieg
  • Hasso Grabner – Die Häftlingsnummer
  • Maria Günzel  – Leid und Trost
  • E.H.  – Ich träume im Lager
  • Franz Hackel – Buchenwald
  • Hermann Hakel – Nebel
  • Heinz Hentschke – Gelungene Flucht
  • Georg Kafka – Segen der Nacht
  • Kurt Kapper – Was kommt denn noch?
  • Alfred Kittner – Friedhof Obodowka
  • Alfred Kittner – Unterwegs
  • Ruth Klüger – Der Kamin
  • Edgar Kupfer-Koberwitz – Typhus
  • Edgar Kupfer-Koberwitz – Der Marterpfahl
  • Edgar Kupfer-Koberwitz – Kette der Tage
  • Karl Schnog – Nackte Aussage
  • Karl Schnog – Der Steinbruch
  • Erika Taube – Ich möchte gerne…
  • Ilse Weber – Ich wandre durch Theresienstadt
  • Ilse Weber – Tor der Magdeburger Kaserne
  • Charlotte Delbo – Essayez de regarder, essayez pour voir  – Versucht hinzuschauen, versucht zu sehen
  • Fania Fénélon – Dans le désert glacé  – In der eisigen Wüste
  • Fania Fénélon – Bombardiers Mort à Bergen-Belsen  – Bomber Tod in Bergen-Belsen
  • Michael  Jacques – Jeu d’enfant – Kinderspiel
  • Spalt dich, Himmel
  • Rivka Basman – Die ewige Trepp’
  • Rivka Basman – Wer sind wir schon?
  • Hirsch Glik – Lass uns schweigen
  • Jascha Rabinowitsch –  Jüdisches Wiegenlied
  • Lea Rudnitski  – Vögel träumen auf den Zweigen
  • Lea Swirski  – Mein Schtetl
  • J. Tsendorf  – Unser Mut ist nicht gebrochen
  • Anna Burdówna  – Lagerliedchen
  • Zofia Górska-Romanowiczowa – Antigone
  • Zofia Grochowalska-Abramowicz  – Harfen von Birkenau
  • Gracjan Guzinski  – Capo-Foxtrott
  • Zofia Karpiriska – Auf eine alte Weise
  • KZ-Liebeslied
  • Maria Kociubska – lch warte auf Post…
  • Maria Kociubska – Die Laus
  • Maria Kociubska – Jetzt ist. ..
  • Aleksander Kulisiewicz – Die verbrannte Mutter
  • Jadwiga Leszczynska – Frauenlager
  • Maria Rutkowska – Aufseherin K
  • Maria Rutkowska – Alarm
  • Maria Rutkowska – Nichts weiss ich heut
  • Maria Rutkowska – Leben
  • Aleksander Szymkiewicz – Depression
  • Wladzimierz Wnuk – Die lebenden Steine
  • Jin Stein – Der Brief
  • Jin Stein – An die Stadt
  • Teresa Bromowiczowa – Appell
  • Janina Hescheles – Belzec
  • Leonard Krasnodebski – Choral aus der Tiefe der Hölle
  • Aron Liebeskind – Wiegenlied für meinen Sohn im Krematorium
  • Maria Rutkowska – Mein Friede
  • Maria Rutkowska – Meine Hände
  • Pavel Friedmann – Der Schmetterling
  • Dagmar Hilarová – Mai 1945
  • Mif – Theresienstadt
  • Mif – Dachbodenkonzert in einer alten Schule

 

Hermann Adler
Was geschieht, heisst bald -Legende!

Ausgedörrt sind die Gestalten, die dort in Treblinka stehen,
und Minuten vor dem Gastod fiebernd noch um Wasser flehen.
Doch die rohen Söldner lachen überlaut im Übermute:
»Wenn du durstig bist, komm her dann! Reichlich sollst du
trinken, Jude!
Jude, komm und sauf die Jauche dort aus der Latrinengrube,
durch den Duft gewöhnst du dich dann an die Luft der
Giftgasstube!«

In den Schrei gequälter Menge kreischen laut Orchesterklänge,
laut und laut und immer lauter. Und doch können die Gesänge
aus der Stadt des Todes niemals das Gewissen übertönen! Mancher darf jetzt Gott verfluchen und selbst Sterbende
verhöhnen,
morden, morden stets aufs Neue. Aus Gewohnheit oder Reue
höre er sein ganzes Leben Blechmusik -und Todesschreie!

…Alle müssen sich entkleiden! Männer zittern, Frauen
jammern,
und schon treibt man ein paar Tausend in die leeren
Giftgaskammern.
Sechsminutenlanges Schreien gellt ins Ohr dann ungeheuer,
und die todgeätzten Klumpen wirft das Rollband in das Feuer…
Freiheitsfahnen werden wehen… Aber nach der
Schicksalswende
wird man nicht die Toten sehen. Was geschieht, heisst bald Legende!

[Warschauer Ghetto 1943]

Hermann Adler
„…Liebe den Nächsten wie dich! «

Hundert Versteckte sind wir und noch mehr,
und die Soldaten rumoren und suchen,
sprengen die Tore und toben und fluchen
nächtlich im Haus, doch das Haus ist wie leer…
Tausende treten den Todesweg an,
Tausende, die sich aufs Glück nur verließen,
wird man noch heute im Ghetto erschießen.
Wer sich versteckt hält, kommt morgen dran!

…Atmet nicht und flüstert nicht,
draußen stehn Soldaten,
und wer auch ganz leise spricht,
der wird uns verraten!

Unser Versteck wird zum Glück nicht gesehn;
plötzlich -beginnt laut ein Knabe zu weinen!
Aber es dürfen doch wegen des einen
heute nicht alle den Todesweg gehn!
Und nur die Mutter erkennt das Gebot
dieser Minute und tötet den Knaben
blutenden Herzens. Wir alle dann gaben
stumm ihr die Hand, und sie floh in den Tod!

…Atmet nicht und flüstert nicht,
draußen stehn Soldaten,
und wer auch ganz leise spricht,
der wird uns verraten!

[Wilnaer Ghetto 1942]

H.G.Adler
Nachtgesang unter der Erde

Urwelt der Träume…
O über mich!
Ausgeschüttet
Über mich Armen,
Der ich verlassen
Wankend stehe
im Nacht-Gedächtnis
Dieser verwirkten Welt
In erstarrt -erstarrender Wirklichkeit!

Wie lange noch
Muss ich dies tragen?
Wie lang?
Da ich doch ohne Schuld,
Oder Schweigen und Dulden
Die einzige Schuld!

Ängste zermartern
Mein Gedächtnis
Vernichtend mit Hunger und Frost.
Darf ich leben?
Schicksal,
Darf ich noch leben?

Mich tötet die Hoffnung,
Schier tötet sie mich,
Wenn ich des Gottes gedenke…
Gottes
O, über mich Armen!
Gottes -in Wirklichkeit, 35
Dunkel—
Gottes -in der Urwelt der Träume,
Voll Licht!
O-Gott! !!

[Langenstein 1945]

Rosebery d’Arguto
Jüdischer Todessang

Bom bom bom bom bom bom bom bom …
bom bom bom bom bom… bom… bom .
Li-Iaj li-Iaj li … li-Iaj
la-Ia-la…
li-Iaj li-Iaj li … li … laj…
Bom bom bom bom bom bom bom bom…
bombombombom bom…bom…

Zehn Brüder waren wir gewesen,
haben wir gehandelt mit Wein…
Einer ist gestorben –
Sind wir geblieben neun.
O-joj! … Oj-joj !'”

Jidl mit der Fiedel, Mojschje mit dem Bass,
singt mir mal ein Liedel
müssen wir ins Gas! …
Jidl mit der Fiedel, Mojschje mit dem Bass,
singt mir mal ein Liedel, Liedel …
Müssen wir ins Gas! …
ins Gas! .
Ins Gas!…
Bom bom bom bom… bom bom bom bom…

Ein Bruder bin ich nur geblieben;
mit wem soll ich nun weinen?
Die and’ren sind ermordet!
Denkt ihr an alle neun? !

O-joj! … Oj-joj! …

Jidl mit der Fiedel, Mojschje mit dem Bass,
Hört mein letztes Liedel,
ich muss auch ins Gas!
Jidl mit der Fiedel, Mojschje mit dem Bass,
hört mein letztes Liedel. ..

.. .Zehn Brüder waren wir gewesen,
wir haben keinem weh getan…

Li-laj, li-laj li … li-laj, la-la

-Alles raus! !…

Bearbeitung von Text und Musik: Rosebery d’Arguto
Musik: Trad. ,Tsen Briden

[Sachsenhausen 1942]

Der Todestango

Hörst du, wie die Geige schluchzend spielt?
Blutig klingen ihre Töne.
Hörst du, wie dein Herz sein Ende fühlt,
den Todestango spielt?
Hab’ keine Angst, mein Lieb’ …
Sand wird deine Leiche decken,
Sternenkerze dient als Brenner und als Polster dient dir nur ein Stein
doch glücklich wirst du sein so ganz allein.

Schüsse fallen, Kugel knallen.
Segregieren! Gift! Nur spielen! …
Und der Tod packt dich in die Hand,
drum sei fertig und bereit.

Autor unbekannt
Musik: Eduardo Bianco

[Janów-Lager 1942]

Ilse Blumenthal-Weiss
Für Peter David Blumenthal
(ermordet 1941 in Mauthausen)

Sa wandre ich durch tausend Marterzellen
und pflücke tausend Schmerzen van den Wänden.
Und tausend Träume, die die Nacht umstellen,
sie stehen auf aus tausend Bilder-Bänden:

In jeder Ecke klingt noch deine Stimme.
In jedem Lufthauch echot noch dein Lachen.
Und jeder Lichtstreif, der den Raum erhellt,
ist wie ein Abglanz deiner Strahlenaugen.
Tot bist du? -Tot. -Ich muss es langsam lernen,
dass man das Licht so ganz zerstören kann.

Ich muss es lernen, ohne dich zu leben.
Dass dieses Wort, dass dieses eine Wort
dich meint, dich, junges Kinderblut,
dich: Jubel! Jauchzen! Jugend! Übermut!
G0tt hat genommen. Einst hat Gott gegeben.
Ich muss es lernen, ohne dich zu leben.

[Theresienstadt 1945]

Ilse Blumenthal-Weiss
Häftlinge

Hunger und Angst. Hunger und Angst
Trümmern den Schädel ein.
Hunger und Angst. Hunger und Angst
Höckern das Herz zu Stein.

Hunger und Angst. Hunger und Angst
brechen Knochen und Glieder.
Hunger und Angst. Hunger und Angst
trampeln den Nächsten nieder.

Brot rettet mich,
Brot tötet dich,
Brot, das du deinem Bruder entrangst
vor Hunger und Angst.

[Theresienstadt 1945]

Joseph Drexel
Krieg

Von fremden Winden
Schauert das Schilf.
Die Wasser schweigen.
Verlernt hat Menschenmund
Die alten Psalter der Liebe.

Ferne im Schatten der Nacht schon
Wandert der Menschen Letztes schuldloses Paar
Ins Elend.
Rauch steigt
Von zerschlagener Stätte.
Von geborstener Schwelle
Tropft vergossenes Blut.
An brandiger Mauer
Kichert die Distel,
Des Wahnsinns heilige Blume.

[Mauthausen; geschrieben nach dem 20. 7. 1944]

Hasso Grabner
Die Häftlingsnummer

Sie möchten gern, dass sie den Menschen lösche
Und seinen Namen ins Vergessen trägt,
Verlorner Ruf, der keinen Hall erregt,
Ein grauer Strich auf einer grauen Fläche.

Ein windverwehtes Nichts in seiner Schwäche,
Vom Leben als Karteiblatt abgelegt,
Ein Schatten, wo sich sonst ein Herz bewegt,
Damit das Herz an dieser Zahl zerbreche.

Nichts kann dem dunklen Wollen Sieg verleihn.
Es nimmt die Nummer jeden an die Hand,
Als einer großen Kette dienend Glied,
Als voller Ton in unserm hohen Lied,
Das Millionen unzertrennbar band,
Das Lied: Ich war, ich bin, ich werde sein!

[Buchenwald. September 1938]

Maria Günzel
Leid und Trost

Unendlich
Einsam sind
die wahrhaft
Sehnenden.
Unendlich
einsam sind
die wahrhaft
Liebenden.
Unendlich
einsam sind
die wahrhaft
Denkenden.
Sie sind
Kein Heer,
gehen
einzeln einher.
Sind bedrückt
Vor der Zeit
Und gebeugt
Vom Leid
der ganzen
Menschheit.
Aber sie sind
rein
wie die Quelle,
die rieselt und rinnt.
Und sie sind
wie
wärmende Helle,
die Sonne uns bringt
nach schauriger Nacht.
Und
sie sind!
und
werden sein!
und
wieder voran
der Menschheit gehen
und sicher sie geleiten
durch bewegte Zeiten.
Werden Kraft ihr leihn
und ihr Hilfe sein
und der Wunden Brand
mit liebender Hand
stillen und heilen.
O lasst sie
nicht länger mehr
einsam sein!
Lasst sie
in Eure Reihn!
Lasst sie
eure Führer sein!
Die Sehnenden,
Liebenden,
Denkenden!
Sie sind
die zum Guten
Lenkenden!

[Ravensbrück]

E.H.
Ich träume im Lager

Ich träume im Lager
ganz traurig und grau,
da geht meine Jugend vorbei,
Was hab’ (ich) euch allen,
was hab’ ich getan? Oh, Mutti, wann siehst du mich frei?
Ich darf doch nirgendshin
und niemals mit dir gehn,
mein Lieber, mein Liebling
aus Märchen, mein Schatz,
wann kommst (du) mal wieder
zu mir?

Verfasser unbekannt
Melodie: Es steht eine Mühle im Schwarzwald im Tal
[Ravensbrück 1944]
Franz Hackel
Buchenwald

Kein Vogel pfeift
Im toten Wald;
Und Nebel streift,
durchnässt und kalt.
Die Nacht ist blind;
Der Tag ist grau.
Wo ist ein Kind,
wo eine Frau?

In schwarzen Buchen
Heult und höhnt der Wind…

Um Weimars Hügel tanzt der Schnee im Sturm.
Es grinst der schwarze Tod vom Wächterturm.

Zwölftausend Männer frieren beim Appell;
Im Mikrophon lärmt eine Stimme grell.

Zwölftausend Männern bellt der Ruf ins Ohr:
Sofort die Leichenträger an das Tor!

Um kahle Schädel tobt der Wintersturm.
Es grinst der schwarze Tod vom Wächterturm.

Kein Mitleid fällt uns an.
Woher auch Tränen nehmen
Auf diesem Berg,
in dieser Zeit?

Um dunkle Buchen
Kahl wie Besen,
treibt der Sturm
Nebelfetzen.

Beim Appell werden Nummern verlesen,
keine Namen.
Und wer am Morgen noch da war –
Ist am Abend vielleicht schon
Vergessen, gewesen.

Von diesem heisst es:
Ging über den Rost;
Von jenem:
Im Steinbruch erschossen.

Kumpel, Genossen!
Wir sind vergessene Leute
Eine Stunde von Weimar –
In diesem heroischen Heute.

[Buchenwald 1941]

Hermann Hakel
Nebel

Tränen, die ich nicht mehr wein,
die im Blick mir stocken,
starren aus den Fensterreihn
grau und toderschrocken.

Seufzer, die ich nicht mehr hauch,
die im Hals mir schäumen,
hängen als ein brauner Rauch
in den toten Bäumen.

Kälte, die mich nicht mehr friert,
Kraft, die ich begraben,
stürmt in Wolken, rebelliert
im Geschrei der Raben.

Ach, wohin? Ins Totenreich
sind wir hier geraten,
Schatten, die dem Nebel gleich
durch den Nebel waten.

[Unbekanntes KZ]

Heinz Hentschke
Gelungene Flucht

„Hei geiht…“
Schrieb Fitche auf seinen Kaffeepott und dann,
Dann war er im dichten Nebel verschwunden,
Spurlos verschwunden im Gelände.

Häscher suchten ihn,
Durchstöberten das Lager;
Das gesamte Moor wurde abgesucht,
Auch das übrige Deutschland.

Sie haben ihn nie gefunden.
Er blieb verschwunden.

Kamerad,
Wir indessen,
Stehen wegen deiner Flucht
Zum Dauer-Appell angetreten:
Einen Tag, eine Nacht
Und bis zum anderen Morgen…

Zur Strafe dafür,
Dass du erfolgreich
Durch den Draht
Und durch den Nebel bist entkommen !

Nein,
Wir sind dir nicht böse,
Kamerad!

[in den Emslandlagern zwischen 1942 und 1944 entstanden]

Georg Kafka
Segen der Nacht

Ich bin, Geliebte, Gottes schmaler Spiegel,
In den er blickt, eh’ er zur Ruhe geht.
Mein Herz ist seines Ringes rotes Siegel,
Das er dem Abend aufprägt, eh’ er ganz verweht.

Ich bin, Geliebte, Gottes Silberschale,
Aus der er oft des Schlummers Rotwein trinkt,
Von deren tiefem Grunde wie aus einem Tale
Des bleichen Monds das Lied der Schwermut klingt.

Ich war, Geliebte, Gottes stummer Spiegel.
Nun sing ich in der Ferne leise Lieder
Zur Laute dir, wenn rings die Sterne steigen.

Mein Herz war Gottes abendrotes Siegel.
Nun spricht er zu mir aus der Sterne Schweigen:
„in meinem Garten sehet ihr euch wieder…«

[Theresienstadt 1943]

Kurt Kapper
Was kommt denn noch?

Und wir begreifen unsere Schritte kaum,
Wenn wir durch diese langen Gänge gehn,
Wir können diese Welt noch nicht verstehn
Und hängen tastend zwischen Zeit und Raum.

Wir sehen Steine nur und keinen Baum,
Denn während wir in diese Höfe spähn,
Scheint unser Denken völlig still zu stehn,
Als lebten wir in einem wachen Traum.

Was kommt denn noch? Ist es noch nicht genug?
Wer hat uns denn in diesen Kreis verbannt?
Wir haben solches Suchen nie gekannt.

Und zagen Scheu vor jedem Atemzug.
Das ist doch Traum! Das ist doch Selbstbetrug!
Und unbegreiflich quält sich der Verstand.

[Theresienstadt 1943]

Alfred Kittner
Friedhof Obodowka
Für Immanuel Weissglas

Dies ist ein finstrer Zeitvertreib,
Die Hunde abzuwehren,
Sie balgen sich um deinen Leib
Und wollen ihn verzehren.

Sie haben deiner Schwester schon
Die Füße angebissen
Und deinen nackten toten Sohn
In Stücke bald gerissen.

Wie du im Frost liegst, jung und weiss,
Scheinst du dich noch m regen;
Mit eigner Hand im Wintereis
Wollt ich zu Grab dich legen!

Doch morgen musst im Massengrab
Du modern mit den, andern.
Wer kam nicht gern zu dir hinab,
Statt von hier fortzuwandern?

[Lager Obodowka, Oktober 1943]

Alfred Kittner
Unterwegs

Als es in Strömen auf uns goss,
Im Grunde war es einerlei,
Trieb man mit Prügeln unsern Tross :
Nun birgt des Stalles Stroh uns zwei.
Vor mir bezogst du hier Quartier
Und liegst verwesend unter mir.
Weht Leichenruch auch durch den Raum,
Er schreckt mich nicht aus dumpfem Traum.

Den Lausen warst du bald zu kalt,
Im Grunde ist es einerlei,
Du warst kein guter Aufenthalt,
Und schließlich sind wir hier doch zwei.
Drum kriechen sie zu mir herüber
Und bringen mir das schlimme Fieber,
Dem du vor Tagen hier im Mist
Des lehmigen Stalls erlegen bist.

Du, Liebste, starbst ; ich lebe noch,
Im Grunde ist es einerlei.
Auch ich pfeif auf dem letzten Loch,
Und morgen schaufelt man uns zwei
Mit Hunderten ins Massengrab,
Zusammen wirft man uns hinab,
Lasst ohne vieles Federlesen
Uns bis zum Jüngsten Tag verwesen.

[Stall Tschetwertenowka, Oktober 1942]

Ruth Klüger
Der Kamin
Meiner Freundin Hannah Ungar

Täglich hinter den Baracken
Seh ich Rauch und Feuer stehn,
Jude, beuge deinen Nacken,
Keiner hier kann dem entgehn.
Siehst du in dem Rauche nicht
Ein verzerrtes Angesicht?
Ruft es nicht voll Spott und Hohn:
FünfMillionen berg’ ich schon.
Auschwitz liegt in seiner Hand
Alles, alles wird verbrannt.

Täglich hinterm Stacheldraht
Steigt die Sonne purpurn auf.
Doch ihr Licht wirkt öd und fad,
Bricht die andre Flamme auf.
Denn das warme Lebenslicht
Gilt in Auschwitz längst schon nicht.
Blick zur roten Flamme hin,
Einzig wahr ist der Kamin.
Auschwitz liegt in seiner Hand
Alles, alles wird verbrannt.

[Auschwitz 1944]

Edgar Kupfer-Koberwitz
Typhus

1943
Er schleicht durch das Lager und haucht dich an,
sein Kuss lässt die Stirne erglühn. –
Hüt dich vor ihm, ja hüte dich, Mann,
ich sah den Tod mit ihm ziehn!

Der Typhus kam -wie Gewitter hing
er über dem Lager her. –
Und als der Typhus wieder ging,
waren 200 Betten —leer.

1945
Er schleicht durch das Lager und haucht dich an,
sein Kuss lässt die Stirne erglühn. –
Hüt dich vor ihm, ja hüte dich, Mann,
ich sah den Tod mit ihm ziehn!

Der Typhus kam -wie Gewitter hing
er über dem Lager her. –
Und als der Typhus wieder ging,
waren 12000 Betten—Ieer.

[Dachau]

Edgar Kupfer-Koberwitz
Der Marterpfahl

„Baum“ nennen sie jenen Marterpfahl,
dran hilflos das Opfer hangt,
die Arme hinten, zu größerer Qual,
hängt er so herab vom Marterpfahl,
Kopf und die Stirne gesenkt. –

Des Körpers schweres, ganzes Gewicht
zerrt an dem verrenkten Arm,
Schweiß rinnt herab, bedeckt das Gesicht –
der SS-Mann grinst dazu und spricht
»Na, Hund, wird’s dir endlich warm?“

Der Schweiß rinnt in Strömen, rinnt und rinnt;
es schmerzt, dass viele laut schrein,
wie Tiere, die am Verenden sind –
die Schmerzen machen sie toll und blind,
sie können nur stöhnend schrein. –

Und die Folter dauert in Ewigkeit ; –
der SS-Mann raucht vergnügt. –
Wer ermisst diese lange Spanne Zeit? –
Eine Stunde – zwei Stunden – Ewigkeit –
es scheint, dass das Zifferblatt lügt. –

Wenn einem die Sinne geschwunden sind,
sein Kopf auf die Brust ihm bricht,
sieht es der SS-Mann, stürzt hin geschwind,
schlagt ihm die Faust ins Gesicht –
und er zerrt an dem Körper und schaukelt ihn,
freut sich, wenn ihn neue Schmerzen durchglühn –
das heií3t in Dachau : »Gericht“-

Wenn von den Händen die Stricke gelöst,
so sinken sie schlaff herab –
sie sind wie gestorben, nicht wie erlöst,
und man fühlt es nicht, wenn man an sie stößt –
ganz fremd hangen sie herab. –

Zehntausende hingen am Marterpfahl,
zehntausend litten die grässliche Qual,
zehntausend schrien gequält wie ein Tier,
Zehntausende hassten die Welt dafür.. . –
die Welt? – O nein, Deutschland hassten sie nur,
höhnten: „Das also ist Deutschlands Kultur?“
Und sie spien hoch im Bogen aus
auf das, was einstens ihr Vaterhaus:
auf Deutschland. –

[Dachau]

Edgar Kupfer-Koberwitz
Kette der Tage

Und ein jeder
Tag ist so grau und trüb
und ein jeder Tag schleicht dahin
die Tage rinnen, wie Wasser durchs Sieb,
stehlen sich fort wie ein trauriger Dieb,
kaum bleibt uns ein Rest noch von Sinn. –

Und ein jeder Tag löscht uns etwas aus,
einen Funken in unserer Brust-
Wir sagen nur noch: „die Liebe -das Haus«
doch es klingt nicht echt, das Echo bleibt aus,
wir empfinden nicht mehr die Lust. –

Ein jeder Tag macht uns stumpfer und matt,
Gefühle verdorren im Herz
man fühlt nur noch, ob der Magen auch satt,
ob heut man noch Kraft zum Ertragen hat,
und wir halten Rohheit für Scherz. –

So stampft jeder Tag unser Ich zur Form,
zum nichtssagenden Dutzendstück…
jeder wird ein Häftling von gleicher Norm,
auch die Seele trägt eine Uniform,
nichts fühlend, nicht Leid mehr noch Glück.

Die Tage fallen, wie Hämmer so schwer
und schmieden uns nützlich und platt
es sind schon zu viel und werden noch mehr,
die Tage sind grau, sind öd und sind leer
dem, der ein Fühlen noch hat.

Und wenn diese Tage verronnen sind,
dann wird, wer sie übersteht,
einsam und still ragen, ein Baum im Wind,
der Welt ganz fremd sein, ein Waisenkind,
an dem scheu vorüber man geht. –

Denn draußen wird keiner uns ganz verstehn,
erkennen wird niemand, warum
wir so ganz verändert die Welt ansehn,
warum so andere Schritte wir gehn:
unsre Seele würd lahm und krumm.

Die Tage haben uns „Gestern« geraubt
und die Tage nehmen das „Heut«
es war einmal, dass wir Andern geglaubt,
dass wir Ehrfurcht hatten vor weißem Haupt
und dass wir uns herzlich gefreut. –

Da werden wir sagen: „Die Welt ist dumm,
sie kann uns nicht mehr verstehn.«
Wir werden nicht fragen: wieso, warum?
werden allein sein und eben darum
tiefer in Einsamkeit gehn.

[Dachau]

Karl Schnog
Nackte Aussage

Ich habe so tief im Elend gesteckt,
Ich schien verloren, verkommen, verdreckt.
Gejagt ward ich und gepeinigt.
Erst, wenn ich sage, was ich sah,
Erst wenn ich schreibe, was geschah
Bin ich vom Schmutz gereinigt.

[Im April 1945, kurz nach der Befreiung, aber noch auf dem Gelände des KZ Buchenwald geschrieben]
Karl Schnog
Der Steinbruch

Eine Landschaft, wie am Schöpfungstage:
Sand und Steine, Büsche. Und sonst nichts.
Graue Gräser. Schreie wilder Klage.
Ort des Grauens, Tal des Weltgerichts.

Müde Füße, abgewetzte Treppen.
Alles jagt und hastet, keucht und rennt.
Schleppen -Schleppen -Schleppen -Schleppen.
Und erbarmungslos die Sonne brennt.

Schläge klatschen, Menschen fallen nieder.
Wolken Staubes und dazwischen Blut.
Fallen -Tragen. Immer, immer wieder.
Schmerzensschreie, Schreie wilder Wut.

Doch der Tag der Freiheit kommt für jeden.
Kamerad im Steinbruch, bist noch Knecht.
Einmal werden Steine für dich reden.
Wird der Steinbruch einst an dir gerächt? …

[Buchenwald 1944]

Erika Taube
Ich möchte gerne…

Ich möchte gerne wieder lauschen dem Rauschen
des Zuges, der mich in die Ferne bringt,
der Schiene, die die Weise singt
von Ferne, so gerne.
Ich möchte gerne wieder Mensch sein
und ganz allein
mit dir auf einem Fleckchen stehn,
den Himmel, Mond und Sterne sehn
hinter den Stangen -und nicht gefangen.

[Theresienstadt zwischen 1941 und 1944]
Ilse Weber
Ich wandre durch Theresienstadt

Ich wandre durch Theresienstadt,
das Herz so schwer wie Blei.
Bis jäh’ mein Weg ein Ende hat,
dort knapp an der Bastei.

Dort bleib’ ich auf der Brücke steh’n
und schau’ in’sTal hinaus:
Ich möcht’ so gerne weiter geh’n,
ich möcht’ so gern -nach Haus!

„Nach Haus! « -du wunderbares Wort,
du machst das Herz mir schwer.
Man nahm mir mein Zuhause fort,
nun hab ich keines mehr.

Ich wende mich betrübt und matt,
so schwer wird mir dabei:
Theresienstadt, Theresienstadt,
wann wohl das Leid ein Ende hat,
wann sind wir wieder frei?

[Theresienstadt]

Ilse Weber
Tor der Magdeburger Kaserne

Es gibt ein Märchen aus uralter Zeit
von einer Prinzessin, die Mühsal und Leid
und seltsames Schicksal erlitten.
Die sprach mit ihres Rosses Haupt,
sooft sie arm und vom Wege bestaubt
das dunkle Tor durchschritten:
„Oh, Fallada, da Du hangest.«

Wie die arme Prinzessin komm’ ich mir vor,
durchschreite ich müde das alte Tor
der Magdeburger Kaserne.
Dort hängt ein verwittertes Pferdehaupt,
und geh’ ich vorbei, aller Freude beraubt,
dann scheint mir, als hörte ich van Ferne:
„Oh, Jungfrau, da Du gangest.«

Du altes Tor in Theresienstadt,
wie bin ich vom Wege so krank und matt,
den meine Füße gingen.
Ich schlug mich wund an manchem Stein,
es blutet mein Herz und zuckt voller Pein.
Und oft, ach so hört ich’s klingen:
„Wenn das Deine Mutter wüsst’,
das Herz im Leib müsst’ ihr zerspringen.«
Charlotte Delbo
Essayez de regarder, essayez pour voir

Un cadavre. L’œil mangé par un rat. L’autre
œil ouvert avec sa frange de cils.
Essayez de regarder. Essayez pour voir.

Un homme qui ne peut plus suivre. Le chien le
saisit au fondement. L’homme ne s’arrête pas. Il
marche avec le chien qui marche derrière lui sur
deux pattes, la gueule au fondement de l’homme.
L’homme marche. Il n’a pas poussé un cri. Le sang
marque les rayures du pantalon. De l’intérieur,
une tache qui s’élargit comme sur du buvard. L’homme
marche avec les crocs du chien dans la chair.
Essayez de regarder. Essayez pour voir.

Une femme que deux tirent par les bras. Une juive.
Elle ne veut pas aller au 25. Les deux la traînent.
Elle résiste. Ses genoux radent le sol. Son vêtement
tiré aux manches remonte sur le cou. Le pantalon dé-
fait -un pantalon d’homme -traîne derrière elle, à
l’envers, retenu aux chevilles. Une grenouille dépouillée.
Les reins nus, les fesses avec des trous de maigreur, sa-
les de sang et de sanie.
Essayez de regarder. Essayez pour voir.

[Auschwitz]

Charlotte Delbo
Versucht hinzuschauen, versucht zu sehen

Eine Leiche. Ein Auge von einer Ratte verspeist.
Das andre Auge offen mit seinem Wimpernsaum.
Versucht hinzuschauen. Versucht zu sehen.

Ein Mann, der nicht mehr nachkommt. Der Hund packt ihn
von hinten. Der Mann bleibt nicht stehen. Er geht, mit
dem Hund hinter sich, der Hund auf zwei Pfoten, das
Maul im Gesäß des Mannes. Der Mann geht. Er hat keinen
Laut von sich gegeben. Das Blut zeichnet die Streifen
der Hose nach. Von innen breitet sich ein Fleck aus wie
auf Löschpapier. Der Mann geht, mit den Fängen des Hunds
im Fleisch.
Versucht hinzuschauen. Versucht zu sehen.

Eine Frau, von zwei andern an den Armen gezogen. Eine Jüdin.
Sie will nicht nach 25. Die beiden zerren sie. Sie wehrt sich.
Ihre Knie streifen den Boden. Ihr Kleid,
an den Ärmeln gezogen, rutscht ihr über den Kopf. Die
kaputte Hose -eine Männerhose -schleift hinter ihr her,
verdreht, festgehalten von den Fußknöcheln. Ein gehäuteter
Frosch. Die Hüften entblößt, das Gesäß voller Hungerlöcher,
schmutzig von Blut und Eiter.
Versucht hinzuschauen. Versucht zu sehen.

[Auschwitz]

Fania Fénélon
Dans le désert glacé

Dans le désert glacé de la mort
Lentement nous allions vers le nord
L’un à l’autre enchaînés
Nous allions sur le chemin
De nos lendemains
Nos épaules sous le froid courbées
Bien souvent gémis soient sous le fouet
Les hommes sur les routes mouraient
En pleurant les femmes se signaient.

Refrain:
Oh liberté que de larmes
Que de sang dans tes combats
Mais tu entretiens la flamme
Qui demain triomphera
Liberté que de souffrance
Lorsqu’on l’arrache à nos cœurs
Mais avec toi que d’espérance
Que d’amour et de bonheur.

Dans le désert glacé de la nuit
Lentement nous avencions sans bruit
L’un à l’autre enchaînés
Nous allions sur le chemin
De nos lendemains
Qu’on entende dans le bruit du vent
Notre chant qui s’élève en grondant
C’est celui que là-bas on chantait
C’est celui pour lequel on mourait.

Refrain:
Oh liberté.

Musik: Pierre Olivier

[Auschwitz-Birkenau]

Fania Fénélon
In der eisigen Wüste

In der eisigen Wüste des Todes
Zogen wir langsam gen Norden
Einer an den andern gekettet
Gingen wir auf dem Pfad
Unseres morgen
Unsere Schultern, von der Kälte gebeugt
Stöhnten unter den Peitschenhieben
Auf den Straßen starben Männer
Weinend bekreuzigten sich die Frauen.

Refrain:
Oh Freiheit –wie viel Tränen
Wie viel Blut in deinen Kämpfen
Du aber erhältst die Flamme
Die morgen triumphiert
Freiheit -wie viel Leiden
Da man dich von unseren Herzen reißt
Doch mit dir wie viel Hoffnung
Wie viel Liebe und Glück.

In der eisigen Wüste der Nacht
Schleppten wir uns lautlos voran
Einer an den andern gekettet
Gingen wir auf dem Pfad
Unseres morgen
Hört doch im Wehen des Windes
Unser Lied, das sich klagend erhebt
Jenes Lied, das man dort sang
Jenes Lied, für das man starb.

Refrain:
Oh Freiheit. ..

Musik: Pierre Olivier

[Auschwitz-Birkenau]

Fania Fénélon
Bombardiers Mort à Bergen-Belsen

Trois morts sur la terre
Un jaune, un noir, un blanc
Un grand trou dans la terre, un grand trou noir
Un trou noir, entonnoir.

Un moineau sur une branche
Se déhanche
Et chante
Les feuilles sur la branche
Se balancent
Et le moineau danse
Danse chante
Chante et ne comprend pas le pourquoi
Ni le comment
Ni l’avion là-bas …
Le gros moineau noir!

Trois morts sur la terre
Un jaune, un noir, un blanc
Un grand trou dans la terre, un grand trou noir
Un trou noir, entonnoir.

Les feuilles sur la branche
Se balancent
Et le moineau danse
Chante et se déhanche

Trois morts sur la terre
Un jaune un noir un blanc
Un grand trou dans la terre un grand trou noir
Un trou noir, entonnoir
Trois morts sur la terre
Qu’on ne connait pas…
Un jaune un blanc un noir.

[Bergen-Belsen]

Fania Fénélon
Bomber Tod in Bergen-Belsen

Drei Tote auf der Erde
Ein Gelber, ein Schwarzer, ein Weißer
Ein großes Loch in der Erde, ein großes schwarzes Loch
Ein schwarzes Loch, ein Trichter.

Ein Sperling auf einem Ast
Schaukelt
Und singt
Die Blätter auf dem Ast
Wiegen sich
Und der Sperling tanzt
Tanzt und singt
Singt und versteht nicht warum
Noch wieso
Noch das Flugzeug da unten …
Den großen schwarzen Spatz!

Drei Tote auf der Erde
Ein Gelber, ein Schwarzer, ein Weißer
Ein großes Loch in der Erde, ein großes schwarzes Loch
Ein schwarzes Loch, ein Trichter.

Die Blätter an dem Aste
Schaukeln hin und her
Und der Spatz tanzt
Singt und wiegt sich

Drei Tote auf der Erde
Ein Gelber, ein Schwarzer, ein Weißer
Ein großes Loch in der Erde ein großes schwarzes Loch
Ein schwarzes Loch, ein Trichter
Drei Tote auf der Erde
Die man nicht kennt. ..
Ein Gelber, ein Weißer, ein Schwarzer.

[Bergen-Belsen]
Michael  Jacques
Jeu d’enfant

Le Petit Polonias
De la Stube trois
Il a huit ans
C’est de son âge –
Saute à cloche-pied
Les morts de la nuit
Bien alignés entre
Deux Blocks.

[Dachau]

Michael Jacques
Kinderspiel

Der kleine Pole
Von der Stube Drei hüpft
So ist ein Kind
Mit acht –
Auf einem Bein
Über die Toten der Nacht
Wohl aufgereiht zwischen
Zwei Blocks.

[Dachau]

Spalt dich, Himmel

Spalt dich, Himmel, lass die Sonnenstrahlen
scheinen über uns mit Deinem Frühlingslicht,
soll der Winter mit der Kälte enden,
soll in Freuden leuchten das Gesicht.
Grünt der Rasen, blühen schon die Blumen
und die Welt ist voller Lobgesang,
Frühling ist zu uns gekommen,
alles blüht und ist voller Verlangen.

Spalt dich, Himmel, lass die Sonnenstrahlen
scheinen über uns mit Deinem Frühlingslicht,
soll der Winter mit der Kälte enden,
soll in Freuden leuchten das Gesicht.
Kommen Vögel von weit her geflogen
mit dem Gruß: Der Frühling ist schon da!
Kälte haben wir genug ertragen
unsre Stunde ist bald da.

Spalt dich, Himmel, lass die Sonnenstrahlen
scheinen über uns mit Deinem Frühlingslicht,
soll der Winter mit der Kälte enden,
soll in Freuden leuchten Dein Gesicht.
„Leben sollt ihr« -sagen uns die Strahlen
lebt, verliert nur nicht den Mut,
Frühling kommt, und neue Quellen fließen,
hört meinen Ruf-es wird noch alles gut!

Spalt dich, Himmel, lass die Sonnenstrahlen
scheinen über uns mit Deinem Frühlingslicht,
soll der Winter mit der Kälte enden,
soll in Freuden leuchten Dein Gesicht.

[Verfasser und Lager unbekannt]

Rivka Basman
Die ewige Trepp’

Die Sonn ist hell, die Sonn ist anders,
wie Treppen, die versunken sind in Pein,
jede Treppe eine Trepp’ zum Wandern
die mich schleppt tagaus, tagein.

Zementne, kalte, graue –
verschlingen alles, was schmeckt nach Glück,
ich schlepp mich, schleppe mich mi! meiner Trauer
frühmorgens her, bei Nacht zurück.

Das ganze Leben drehn sich Treppen,
wie verflucht und ohne Ziel.
Vergangen ist schon lang der Schnee,
ich geh noch immer auf der Trepp’ wie toll.

Ob ich noch je einmal erleben werd’ den Frühling,
Ob ich beim letzten Treppchen dann bleib’ stehn
und schrei heraus aus tiefstem Herzen :
„Nie mehr eine Treppe gehn! «

[Lager Kaiserwald]

Rivka Basman
Wer sind wir schon?

Wer sind wir schon in finsteren Nächten, vertrieben und verhasst,
vertrieben, ohne Heimat, verspottet und verlacht?
Wir sind wie Wolken, die am Himmel hastig ziehen,
und verfliegen, die lautlos in der Still’ vergehen
ohne Ziel’ –
Wer sind wir schon?

Wer sind wir schon in finsteren Nächten, gezwungen zur Freude?
Das Herz zerrissen, vergossen das Blut,
gezwungen uns zu freuen, zu sagen es sei gut,
Wer sind wir schon?

Wolken van Staub verstecken den Frühling ringsum,
und irgendwo da schlägt ein Herz … blüht eine Blume,
erklingt das Echo einer Stimm’ in tiefer Nacht,
jammervolles Weinen … stille Nacht ringsum…
Wer sind wir schon?

[Lager Kaiserwald]

Hirsch Glik
Lass uns schweigen

Lass uns schweigen, weiter schweigen,
und kein Wort geredt!
Lass uns mit geschlossnen Augen
murmeln ein Gebet.
Nicht die Zäune, nicht die Drähte,
nicht die Wach’, die steht –
keiner kann uns je verbieten,
zu weinen still und leis.

Nicht wie stumme Bäume
lass uns Wind hier stehn.
Unser Flehen trag mit dir
fort in weite Ferne.
Wind, Wind, säum’ nicht lange,
treiben tut’s dich doch –
meiner alten kranken Mame
bring du meinen Gruß.

Unter tausenden Millionen
Augen wirst du gleich
meiner Mame ihre kennen,
anders sind sie doch.
Ganz verweint sind ihre Augen,
es trocknet sie kein Wind;
voller Schmerz im fernen Lager
sehnt sie sich nach ihrem Kind.

Eil dich, Wind, und schnell geflogen
meinen Gruß ihr schick,
’s  wollen ihre kranken Augen
zu ihrem Kind zurück…
Lacht der Wind gar -oder weint er?
Räumt mir ein Geheimnis ein…
ich versteh nicht, vielleicht meint er:
’s wird mit mir zu Ende sein.

Will den Wind noch etwas fragen,
’s drückt mein Herz so schwer,
ist der Wind schnell fortgeflogen
und kein Wort fällt mehr.
Lass uns schweigen, weiter schweigen,
und kein Wort geredt!
Lass uns mit geschlossnen Augen
murmeln ein Gebet.

[Lager Klooga]

Jascha Rabinowitsch
Jüdisches Wiegenlied

Schlaf, mein Kindlein, sanft und stille,
schließ die Äugelein,
’s gibt von Kindern nicht mehr viele
wie du, mein Sonnenschein.

Vater ist nicht mehr am Leben,
fort mit der Aktion,
sein letzter Gruß, sein letztes Streben
war für dich, mein Sohn.

Zogen her aus weiter Ferne,
trug dich auf der Hand,
kamen her zu fremden Leuten
in ein fremdes Land.

Leg den Kopf sanft in die Kissen,
der Morgen ist noch weit.
Du sollst, mein Kindlein, niemals wissen
deiner Mutter Leid.

Schlaf, mein Kindlein, sanft und stille,
schließ die Äugelein,
’s gibt von Kindern nicht mehr viele
wie du, mein Sonnenschein.

Komponist unbekannt [Precu 1943]
Lea Rudnitski
Vögel träumen auf den Zweigen

Vögel träumen auf den Zweigen,
Schlaf, mein liebes Kind.
An deiner Wiege, an deiner Seite
Sitzt eine Fremde und singt:
Lju lju lju, lju lju Iju, lju.

Es hat deine Wiege einst gestanden,
Ganz geflochten aus Glück.
Und deine Mutter, oh, deine Mutter,
Kommt wohl niemals mehr zurück.
Lju lju…

Ich hab gesehn deinen Vater laufen
Unter dem Hagel aus Steinen.
Über Felder ist geflogen
Sein verwaistes Weinen.
Lju lju…

Vögel träumen auf den Zweigen,
Schlaf, mein liebes Kind.
An deiner Wiege, an deiner Seite
Sitzt eine Fremde und singt:
Lju lju…

Es hat deine Wiege einst gestanden,
Ganz geflochten aus Glück.
Und deine Mutter und dein Vater
Kommen wohl niemals zurück.
Lju lju…

Lea Swirski
Mein Schtetl

Da draußen -die helle Nacht –
Der Mond, die Sterne, sie funkeln,
Mein kleines verträumtes Schtetl, es schläft,
Still ist’s schon in allen Winkeln.

Nur ich alleine bin wach,
lch lieg da und ich kann nicht schlafen,
Der Mond, er reizt mich und lacht,
Sogar die Sterne wollen mich plagen.

Eine niemals gekannte Kraft
Reißt mich aus meinem Bette,
Und durch mein Fenster, erstarrt,
seh’ ich mein schlafendes Schtetl.

Ein unendlich trauriges Bild
hat sich vor meinen Augen ergossen,
mein Schtetl ist schrecklich und wild,
mit Teichen von Blut, das geflossen.

Oj, Schtetele meins, du kleines,
Wie bist du auf einmal so anders,
Würd’ ich dich jetzt so nicht sehn,
müsste ich nicht so viel leiden.

Wann ist verfallen dein Charme?
Sieh, was ist aus dir geworden!
Oj, Schtetele meins, du kleines,
Wär ich doch besser nie geboren!

[SchischmarerLager]

J. Tsendorf
Unser Mut ist nicht gebrochen

Unser Mut ist nicht gebrochen,
’s ist das Leben wunderschön.
Und der Sieg ertönt von weither,
über alles, was gemein.

Refrain:
Sieh, die Welt, sie blüht schon wieder,
wie jedes Jahr -wie jeden Mai.
Jud und Mensch sie sind ja Brüder
’s muss die Welt doch werden frei.

In der Heimat Weib und Kinder
wollen uns doch wieder sehn.
Unser Mut wird Wunder weisen
Und das Wunder wird geschehen.
Sieh, die Welt …

’s ist zu alt schon die Geschichte
vom Hass zwischen Christ und Jud,
Zeiten kommen unerwartet.
Für uns alle ist das Feld bestellt.
Sieh, die Welt …

Hoch und höher soll sich heben
über die Baracken unser Lied,
für uns alle wird das Feld beackert,
und für alle gibt es Brot.
Sieh, die Welt…

[Lager Pithiviers 1941]

Anna Burdówna
Lagerliedchen

Hinter der Mauer, dem Stacheldrahtzaun
führt ein Gespräch die Kräh’ mit dem Hahn.
Das Thema war sehr sensationell,
man sprach übers Lager gleich auf der Stell.

Sage mir, Krähe, wie man dort lebet,
denn darüber wird so manches geredet.
Täglich zur Arbeit gehn sie in Scharen,
was soll’n die Paraden in langen Haaren?

Es sind dort Frauen, Verzeihung, Nummern,
und ihre Zahl ist mehr als Viertausend.
Zigeunerinnen, adlige Frauen,
Zeugen Jehovas und die von der Straße.

Auch eine Riesenschar Polinnen,
Schön jede zweite, toll jede dritte,
und wo die Arbeit schwierig und mühsam,
da wählt der Lageraufseher nur sie aus.

Sie schneidern, kochen, sie pflegen Kranke,
sie schleppen Ziegel, bis das Kreuz wehtut.
Sie bauen Straßen, sie roden Wälder,
und schau nur hin, wie sie marschieren.

Nun sag’ mir, Krähe, du meine Liebe,
was sie dort essen, unsere Frauen?
Ach lieber Hahn, es lohnt nicht der Rede,
nichts außer >Eintopf<, so dünn wie Wasser.

Frag nicht mehr weiter -stopp -keinen Schritt mehr,
sonst fällst du in’ Bunker oder in’ Strafblock.
Was dort passiert, dass Gott bewahre,
darüber schweig’ ich und sträube die Haare.

Sage mir, Krähe, warum wohl, warum,
stört die Sirene immer mein Krähen?
Heult jeden Tag wie der Ochs in der Herde,
soll das wohl heißen, Schlechtwetterzeit?

Diese Sirene hat manche Ziele,
zuallererst sind es »Zählappelle«.
Stundenlang stehn dort frierend und zitternd
in langen Reihen Tausend und Tausend.

Und heult sie mitten in schwarzer Nacht,
so heisst das immer Fliegeralarm!
So geht’s dahin, oh mein Kogucik,
das Lagerleben in Ravensbrück.

Sag’, haben sie Hoffnung, wird ihre Nacht enden,
der Tag anbrechen mit seinem Licht?
Dochja, sie glauben von ganzem Herzen,
dass diese Lager nicht ewig bestehn.

Musik: ]osef Lammer (19. Jh.)

[Ravensbrück I941]

Zofia Górska-Romanowiczowa
Antigone

Ich kehre zu Dir zurück in Gedanken, Vater,
Zu jenen fernen Augenblicken,
Zujenen fernen Jahren,
Als wir gemeinsam gingen
Durch die geheimnisvolle Welt.

Die Bäume sprachen zu uns,
In den Baumhöhlen wohnten Elfen,
Neben Dir trippelten
Kleine Füßchen.

Wovor sich fürchten,
Wovor Angst haben,
Wo es so sicher war
Auf Deinen Armen.

Du, wenn Du noch lebst
Und ich -in grauer Uniform,
Vielleicht begegnen wir uns heut’,
Und wissen es nicht.

Alle sind so sehr grau,
Alle so sehr dieselben,
Aber einer schaute mich an
Mit Deinen Augen.

Einer streckte die Hand aus
Es war Deine Geste,
Vielleicht warst es Du -wenn Du lebst,
Wenn es Dich gibt …

Doch sagt mir beklommen mein Herz :
„lch glaube nicht, dass Du lebst,
Ich glaube nicht, dass Du wiederkehrst.«

Irgendwo ist dies irgendwann geschehen,
In einem mir nicht bekannten Moment,
Jetzt erscheinst Du mir nachts im Traum
Mit einer blutenden Wunde.

Ich kenne doch Deine Angst,
Ich kenne doch Deinen Schmerz,
Diesen blutroten Punkt
Auf Deiner Stirn.

All das weiss ich auswendig,
Ich kenne all Deine Qual
O hätt’ ich Dir damals
Gedrückt die Hand…

O dürft’ ich doch nur
Deinem armen Körper
Ausheben ein Grab im Sand
Unter der weißen Birke.

Unter der stillen Birke
Fern allen Pfaden
Und wissen, dass Du dort schläfst,
Dass Du dort liegst-

Mit hundertfachem Echo warf
Der grüne Wald die Salve zurück,
Und keiner hörte die Stimme
Der weinenden Antigone.

Was soll ich länger lügen?
Solllänger ich betrügen?
Und was erwartet
Uns noch von diesen Menschen?

Und schon bist Du nicht mehr.
Gingst in das Schattenreich
Was hilft’s, dass einer
Von ihnen Deine Augen hat?

Wie fern sind jene Tage,
Wie fern sind jene Jahre,
Da wir gemeinsam gingen
Zu grüßen diese Welt,

Als zu uns sprach der Wald,
Als er uns lächelte –
Heut’ fiel in diesem Wald
Einschuss.

Und wo Dich suchen, weiss ich nicht,
An welchem Ort, in welcher Richtung –
Man ließ den Leichnam nicht bestatten
Die weinende Antigone.

[Ravensbrück 1943]

Zofia Grochowalska-Abramowicz
Harfen von Birkenau

Von dem Stoß Leichen blicken tote Gesichter
ohne Mund, ohne Nase, mit gläsernem Auge –
blicken zu den Sternen…
Ratten tanzen ihre
roten Reigen, -Ratten.

Und die Drähte, zwischen die Lichtmasten
gespannten Drähte -sie glänzen.
Das sind die Harfen von Brzezinka
die Harfen von Birkenau.

Stinkender klebriger Kot, an den Fußlappen Blut
nichts als Flüche und haushoch Menschen, Menschenskelette …
Augen von Wahnsinn,
Massen und Massen.

Und die Drähte, zwischen den Lichtmasten
gespannt -sie glänzen.
Das sind die Harfen von Brzezinka,
die Harfen von Birkenau.

Wasser, Wasser! … Wasser! Gib Wasser, die Zunge schwillt an,
die heißen Lippen sie platzen -die mit den goldenen Haaren stirbt.
Soll sie krepieren auf ihrem dreckigen Stroh, krepieren!

Und die Drähte gespannt zwischen den
Lichtmasten glänzen.
Das sind die Harfen von Brzezinka,
die Harfen von Birkenau.

In der Menge die auf der Erde gelagert
traf ein beschlagener Stiefel eine liegende Brust
stolperte über eines Menschen Stirn.
Ein Schrei steht auf, ein tausendfacher Schrei,
Geheul fliegt in den Raum.

Und die Drähte zwischen die Masten gespannt
sie glänzen.
Das sind die Harfen van Brzezinka,
die Harfen van Birkenau.

Räder rollen über die Schienen,
jagen dahin für den Sieg des Verbrechens,
sie fahren, sie fahren Menschen ins Gas,
Menschen zum Ofen, Menschen auf den benzinbegossenen Stoß.
Dichte Rauchschwaden breiten sich aus, stinkender Qualm…
Hier verbrennen Menschen Menschen.

Und die Drähte zwischen die Lichtmasten
gespannt -sie leuchten.
Das sind die Harfen van Brzezinka,
die Harfen van Birkenau.

[Birkenau 1944]

Gracjan Guzinski
Capo-Foxtrott

Hau ab! Du Schnalzkopf, hau ab!
Du Schlawiner, komischer Vogel und Drecksack!
Geh, du alte Sau, du Muselmann!
Hau ab! Du Schnalzkopf, hau ab!
Du Schlawiner!
lch werd’ dir helfen,
ich werd’ die helfen!
Pass’ auf, du blöder Hund! …

[Mauthausen-Gusen 1943J
Zofia Karpiriska
Auf eine alte Weise

Es steht die Nacht, es flieht der Traum,
Der Flieder duftet.
Hinter dem siebten, siebten Berge wo
Da wohnst du.
Die Zeit verstreicht, über den Wiesen
Dauert die Nacht,
Hinter Drähte, hinter Gitter
Hat man mich gebracht.
Und von mir bis zu dir
Ist ’s so weit,
Kein Vogel fliegt hier vorbei.
Und von mir bis zu dir
Ist ’s so nah,
Dass hämmernd die Schläfen pochen
Der Atem stockt.
Über dem Wald, ach, ferne
Ziehen Nebel,
Doch hinter dem siebten, siebten Berge
Da wohnst du.
Ich geb dir mein trauriges Herz
Die schweren Träume,
Ich geb dir all meine Unruh,
Schmerz und Tränen.

[Majdanek 1943]

KZ-Liebeslied

Draußen steht eine bange Nacht,
die Zeit flieht, der Flieder blüht.
Hinter dem siebenten Berg bist du,
draußen steht eine bange Nacht.
Die Zeit flieht, der Krieg dauert an.
Hinter den Drähten warte ich.

Mein Herz sehnt sich nach dir
und weint, ach lange, ach lange.
Hierher zu uns hinter die Drähte
fliegt kein Vogel.
Draußen steht eine bange Nacht,
die Zeit flieht, der Krieg dauert an.
Hinter den Drähten krepiere ich,
hinter den Drähten krepiere ich.

[Majdanek 1943]

Maria Kociubska
lch warte auf Post…

Ich warte auf Post, auf diese kleine Karte
Auf der die teure Hand so zagend schrieb
In jener fremden, feindlichen Sprache merkwürdige Sätze
Vorsichtige Antworten, scheue Fragen,
Worte, die so sehr trösten wollen,
Lindern den Sehnsuchtsschmerz und den Alptraum.
Tag für Tag vergeht in hoffnungslosem Grau,
Und Samstagsmorgens unerschütterlich-
Wart ich auf Post, auf diese kleine Karte …

[Ravensbrück 1941]

Maria Kociubska
Die Laus

Meine Süße, pass gut auf,
ich brauch dringend eine Laus!
Und im Falle größter Not
bezahl ich sie mit meinem Brot.

Und wenn sie verzieht ihre Miene
kriegt sie auch ein wenig Margarine.
Soll den Preis nicht zu hoch hissen,
Lieber drauf tun ein, zwei Nissen.

Wozu eine Laus? Ach, meine Schöne,
ich möcht so gerne in die Quarantäne.
Nichts ist mir derzeit so fremd,
wie ein frisch gewaschenes Hemd!

Saubere Hosen und ein Schürzchen,
Unterrock und noch ein Mützchen…
Schnell, beeil dich, Iauf ach Iauf,
kauf mir eine schöne Laus!

[Ravensbrück 1943]

Maria Kociubska
Jetzt ist. ..

Jetzt ist Schweigestunde,
Also halten Munde,
Mit Zungen dabei
Sprechen ist verboten
Schweigen wie die Polen
Ihr seid noch nicht frei
Man muss Schnabel halten
Jungen oder Alten,
Ihr seid immer faul,
Ihr sollt Strumpfe machen
Und nie sollt Ihr lachen.
Also halten Maul!

[Ravensbrück]

Aleksander Kulisiewicz
Die verbrannte Mutter

lch, die verbrannte Mutter
poche an eure sehnsüchtigen Herzen.
Sehen könnt ihr mich nicht,
Verbrannte kann man nicht sehen.
Das Gas hat mir die Augen ausgebrannt.
Zuerst fingen die Haare an
ich wurde zu kleiner Asche
die Asche flog in die Luft.
lch, die verbrannte Mutter
rufe von fern euern Herzen zu:
Dass niemand die Kinder erschlage!
Dass niemand die Mütter verbrenne!
Darum fleht die verbrannte Mutter.

[Sachsenhausen 1944]

Jadwiga Leszczynska
Frauenlager

Lager, Lager, Frauenlager!
Lager Auschwitz-Birkenau!
Ladenstraße, Sauna, bloki,
Toiletten, Wascheraum…

»Kaffee holen!« und »Aufstehen!«
»Appell, Appell!« -»Alle r-raus!«
»Und zu Fünfen!« -»Achtung!« -»Ruhe!«
»Zählappell! « -~~ Es stimmt genau! «…

»Aussenkommando ausrücken! «
Marschkolonne, Kapo, Post;
Hacke, Trage, Harke, Schaufel,
»Bemüht euch!« -»Aberlos!« …

Revier, Grippe und Fleckfieber,
Durchfall, Scheisse, Krätze, Laus!
»Kranke fertig! «, Leichen, Kamin,
Krematorium, Spritze, Gas! …

[Birkenau 1944]

Maria Rutkowska
Aufseherin K

Man schickte Dich zu uns auf Befehl
Du schautest uns ins Gesicht
Mit Verachtung
Und großem Groll!.
Nach ein paar Tagen
Senktest Du schon die Lider
Wenn Du »weiter« riefst.
Bis ich auf einmal Tränen sah
Ungetrocknet
In Augen die nun wieder auf uns schauten.
Woher die Tränen? Du sagtest,
dass Du weintest über uns.
Vielleicht -über Deine Träume,
Darüber, dass Du neunzehn bist
Und Deine Welt Stolzer Einbildungen
In der Hölle liegt.
[Ravensbrück, Frühling 1943]
Maria Rutkowska
Alarm

Alarm! Wach auf! Anstatt zu schlafen
Hoch! Hundert Sirenen heulen im Dunkel der Nacht,
Tausend Flügel schlagen dort an die Sterne.
Der Wind verstummt, als hätt’s verschlagen
den Atem der erschrocknen Welt.
Ha, sie fliegen, langsam erstickt unterm Himmel
der Gesang der Schreckensmacht.
Gott selbst -verborgen, ach, in unsichtbaren Fernen
Lauscht, in allmächtigem Schweigen erstarrt,
Gott, Welt und wir.

Sie fliegen, fliegen … es schluchzt die Welt
In des Erschreckens Zuckung Rettung sich erbettelnd,
Und der Tod, ein wogendes Meer in den Sternen,
Spielt im Rhythmus der Motoren die schreckliche Hymne
Wie über Warschau…
Doch heute bezahlst du deine Schuld woanders, blutige,
Weinende Erde. Nichts hilft dir mehr.
Vergebens sendest du in den Raum den Angstschrei.
Zitterst. Schweißperlen kalten Taus auf deinem Körper.
Sie fliegen nach Berlin!

Schwestern, hört ihr die Flieger heulen?
Leis haben die Gräber im Sand sich geöffnet,
Das Heiligste der Toten kommt zu den Lebenden,
Reicht euch die Hände zu einer mächtigen Kette
Für den nächtlichen Weg.
Steht auf, seid auf dem Pfad der großen Angst
Wegweiser dem fliegenden Tod.

Und sollten wir alle auch heut noch verbrennen,
Fließt doch lebendiges Blut ins Herzen unserer silbernen Vögel
Zu ihrer Stärkung.
Alarm! Wach auf! Anstatt zu schlafen
Horch!

[März 1943 Ravensbrück]

Maria Rutkowska
Nichts weiss ich heut

Nichts weiss ich heut. Ich weiss nicht, wo Ihr jetzt gerade seid,
Noch weiss ich, welcher Himmel über Euch sich neigt,
Doch klingt das Rauschen meiner Bäume wie ein Stöhnen
Und immer hab ich Blut vor Augen, Euren Weg befleckend.

Nachts kommen Träume -trügerische Wahngebilde,
Von denen morgens nur des Schreckens Bürde bleibt.
In ihrer ganzen Schwere ist Eure Idee auf mich gefallen -so
Als hätte jemand mir Eure Herzen in die Brust gelegt.

Noch weiss ich nichts, nur eines fühl ich immer stärker,
Dass mich die Unruh Eurer Tage voll ergriffen hat
Dass selber irrlichternd im Nebel ich Gedanken spinne,
Und kann Euch doch nicht hören im Geheule der Maschinen.

Ich weiss nicht… geht Ihr durch zerstörte Straßen,
den »Nowy Swiat«* oder die »Hoza« *, im Qualm, geschwächt von Wunden
Vielleicht, dass auch nur Vögel über Eurem Kopfe schreien,
Im Felde irgendwo, welches das Feuer gleichsam umgepflügt.

Nichts weiss ich. Und immer hör ich hier im Baumesrauschen
Jemanden jammern, leise schluchzen, weinen wie ein Kind.
Doch werd ich hier nicht mehr erfahren, ob Ihr noch lebt
und wessen Kugel Euch jetzt jagt -die russische oder die deutsche?

[Kommando Waldbau, Filiale von Ravensbrück -geschrieben im September 1944 nach der ersten Nachricht vom Warschauer Aufstand]

* »Nowy Swiat« und »Hoza« sind Geschäftsstraßen in Warschau

el fulgor i

Maria Rutkowska
Leben

Einmal sprachen wir über himmlische Dinge,
Kreisten durch Galaxien
Massen die Sonne aus.
Und nebenan -in der Schlange der Brotausgabe
Gab’s ein Geschrei
Betäubendes nicht verstummendes Zanken,
Denn gierige Hände
Wollten so viel wie nur möglich –
Suchten die Brotrationen
nach Millimetern aus.

[Ravensbrück, Winter 1944/1945]

Aleksander Szymkiewicz
Depression

Aus zerborstenen Krügen sah Wein ich fließen,
die Erde ihn schlürfen mit schwarzen Lippen;
Hoffnung an Fetzen von Segeln sich brechen
doch nie mehr die Heimat und meine Lieben.

Weg mit den Märchen! Auch euch stoß ich fort,
habt mir die Jugend vergiftet mit schönem Trug.
Kommt, ihr Dichter, helft mir suchen
Läuse in meinen schmutzigen Lumpen.

[Dachau 1943]

Wladzimierz Wnuk
Die lebenden Steine

Wir sind die lebenden Steine,
harte und nackte Felsen.
Wir schwitzen bei Sonne und Schlägen,
im Steinbruch Mauthausen-Gusen.

Wir sind die lebenden Steine,
obdachlose Steine.
Uns küssen keine Flüsse,
uns tötet die mörderische Hitze.

Wir sind die lebenden Steine,
im Schatten der Teufelsfahne.
im Herzen schwelt die Lunte
und täglich mehr Dynamit.

Wir sind die lebenden Steine,
aus der Tiefe der Hölle.
Wir Sklaven, müssen doch glauben
an Menschen,
Menschen
und Liebe.

Musik: Aleksander Kulisiewicz, 1943

[Mauthausen 1940]

Jin Stein
Der Brief

Meine Teure ich schicke Ihnen ein Schreiben
ein böser Wind fegte die süßen Warte aus ihm
nur Tränen schrieb des Dichters Seele
und sie sind nicht fähig zu lesen

Es ist kein Brot da und die Kinder wollen essen
und die Toten die vom Friedhof flüchteten
in stillen Ecken sterben wieder
in erlaschenen Augen Angst und Hass

Heute verwirrte ein rauer Nordwind meine Reime
dass ich statt van Liebe Ihnen van Machtlosigkeit singe
auf weißem Papier in blutiger Schrift

Heute wollte ich Wein -Beifuß hat mich berauscht
heute stach eine glühende Flamme in die Schwarze Nacht
heute habe ich statt der Laute das Messer erfasst

[Theresienstadt]

Jin Stein
An die Stadt

Meine Stadt der Bettler die an den
Portalen kauern
mit zwei schlanken Türmen über
dem duftenden Hang
meine Stadt mit dem Grabmallängst
toter Könige
meine Stadt des Lästerers und fromm
gefalteter Hände
Meine Stadt schläfst du?

Meine Stadt der Gassen in die die
Nacht Gold gießt
meine Stadt der Erker und breiter
Kuppeln
die der Abend im Zauber der zarten
Alchimie färbt
meine Stadt schwerer Alter die ohne
Rast schreiten
Meine Stadt schläfst du?

Meine Stadt der Wehre die an
verstummten Mühlen rauschen
meine Stadt der weißen Zinnen
und schwärzlichen Tauens
der Zeiger der Altstädter Turmuhr
und blutiger Schatten
meine Stadt der Glocken
die Glocke läutet nicht mehr
meine Stadt schläft.

[Theresienstadt]

Teresa Bromowiczowa
Appell

Das sind wir. Dieser Wald aus Uniformen
Plötzlich emporgewachsen beim Appell auf dem Platz,
Stehen wir -menschliches Schilfrohr,
Stumm, taub -aufrecht-
Warten wir
Und über unsern Köpfen
In der gleißenden Morgenhitze
Durchschneidet, gestrafft vom gesteigerten Mordwillen
Ein Habicht die Sonne -auf den Flügeln wiegend den Tod
ein fremdes Flugzeug …

Gestern hat man sie geholt.
Die Reihe ohne Lücken,
An ihrer Stelle wuchs ein neuer Uniformenwald,
Dahinten der Kamin
Wird schwarz und schwärzer
Um seinen aufgerissnen Schlund.
Und über dem Kamin-
Rauch -schwarzer Habicht-
Auf den Flügeln wiegt er den Tod,
Auf den Flügeln bringt er den Tod.
……………….
……………….
Dumpf ist die Stille im Uniformenwald
Das ist der Todesappell. Der Appell ist immer.
Wer heute? Vielleicht du? Vielleicht ich?
…………………
…………………
[Ravensbrück 1945}

Janina Hescheles
Belzec

Was für ein schreckliches Bild:
Ein Waggon voller Menschen
in der Ecke ein paar Leichen,
alle stehen nackt
Stöhnen übertönt das Rattern der Räder
Der Verurteilte versteht nur,
was sie ihm sagen:
Nach Belzec! nach Belzec! nach Belzec!
in den Tod, in den Tod, in den Tod.
Bis Belzec, bis Belzec, bis Belzec,
zum Tod, zum Tod, zum Tod.
Willst du leben
dann spring! dann flieg! dann renn!
aber gib acht
auch dir lauert der Bahnschutz auf
Einem andern wispern sie zu, deine Mutter siehst du nie wieder.
Du weinst umsonst, du schluchzt umsonst
Den Vater siehst du auch nicht mehr,
weil Räder dich nach Belzec jagen
nach Belzec, nach Belzec, nach Belzec!
zum Tod, zum Tod, zum Tod!
bis Belzec, bis Belzec, bis Belzec
in den Tod, in den Tod, in den Tod.
Der Zug bremst ab, hört auf zu rasen,
Ein Stöhnen reibt sich tausend Menschen aus der Brust
Der Zug kommt an sein Ziel,
Ein Pfeifen der Lokomotive:
Schon Belzec! schon Belzec! schon Belzec!

[Janów-Lager 1943]

Leonard Krasnodebski
Choral aus der Tiefe der Hölle

Hört unseren Choral
Aus der Tiefe der Hölle!
Er soll unseren Henkern
Auf ewig die Träume stören!
Choral, Choral!
Aus der Tiefe der Hölle.
Er soll unseren Henkern
Die Träume stören…
Die Träume stören,
Für immer die Träume stören!
Hört unseren Choral!
Hört doch unseren Choral!
Aus der Tiefe der Hölle …
Attention! Attention!
Hier krepieren Menschen.
Auch hier sind Menschen! !

Musik: Aleksander Kulisiewicz (I944)

[Sachsenhausen]

Aron Liebeskind
Wiegenlied für meinen Sohn im Krematorium

Schwarzes, stummes Krematorium …
Höllentor, Leichenstoss.
Glitschige, steife Körper schleppe ich,
Grau geworden bin ich über Nacht.
Hier liegt mein Sohn, mein kleiner Sohn,
Die Fäustchen in den Mund gebissen.
Wie kann ich dich ins Feuer werfen -hier! …
Deine schönen goldenen Haare …

Lulaj, lulaj du mein Sohn.
Lulaj, lulaj du mein Sohn.
Lulaj, lulaj du mein Sohn.
du-u-u -mein -Sohn! …

Elende Sonne, warum schweigst du?
Ich hab alles hier mit angesehen.
Sein Köpfchen haben sie zerschmettert
An der kalten Wand aus Stein.
Deine stillen Äuglein schaun zum Himmel
Und erstarrte Tränen schreien
Sohn! Überall und überall dein Blut!
Und du lebtest doch -nur drei kurze Jahre.

Lulaj,lulaj du mein Sohn.
Lulaj, lulaj du mein Sohn.
Lulaj, lulaj du mein Sohn.
du-u-u -mein -Sohn! …

Übersetzung aus dem Jiddischen
van Aleksander Kulisiewicz
[Treblinka 1942J

Maria Rutkowska
Mein Friede

Mein Friede wird sein unter Blumen
Wenn er mich leis’ umfängt
In einem Monat… oder nach Jahren.
Dann
Hüll’ ich mich ein
In duftende Parfums,
Meine grauen Haare
Über den Schläfen
Werden seidig glänzen und weich
Und meine Hände werden weiss sein und
Schön wie einst.

Jetzt
Hab’ ich nur Träume.
Über dem dreckigen Fetzen von Hemd
Beug’ ich mich täglich voll Angst,
Öffne ganz bang die Finger meiner Hand
Und bin eine arme Bettlerin
auf der Suche nach -Krätze und Läusen.

[Ravensbrück, Dezember 1942J

Maria Rutkowska
Meine Hände

Spielt auf ihr Maschinen, das teuflische Lied
Ihr Bohrer tanzt los unter Pfiffen,
Ihr Mächte der Hölle, tötet und rächt
Euch selber in diesen schwarzen Stunden.
Hände, ach meine Hände
Werft ihre Ernte der Hölle zurück!
Solln die Maschinen heulen, van meinem Schweiß bespien –
zum Tod, zum Tod der Henker!

In lange Tage und Nächte geschleppt
Leben wir hier ohne Recht auf Dasein,
Doch die gefesselten Hände tun heimlich
Tun heimlich ihr Werk der Vernichtung.
Hände, ach meine Hände
Bereitet den Mördern die Ernte!
Solln die Maschinen heulen, van meinem Schweiß bespien-
Zum Tod, zum Tod der Henker!

Vergebens sollen die Flügel vom Boden abheben,
Absterben noch vor dem Plug die Motoren,
Und fliegen sie dennoch, so soll mein Verrat
Hinab in den Abgrund sie stürzen.
Hände, ach meine Hände
Werft ihre Ernte der Hölle zurück! 
Solln die Maschinen heulen, van meinem Schweiß bespien-
Zum Tod, zum Tod der Henker!

[Neubrandenburg 1943]

Pavel Friedmann
Der Schmetterling

Der letzte war’s der aller allerletzte
der satt und bitter blendend grelle
vielleicht wenn eine Sonnenträne irgendwo auf weißem Stein erklingt

so war das Gelb
und trug sich schwebend in die Höhe
er stieg gewiss gewiss wollt’ küssen er dort meine letzte Welt

und sieben Wochen leb ich da
gettoisiert
hier fanden mich die Meinen
mich ruft der Löwenzahn
und auch der weiße Zweig im Hof auf der Kastanie
doch einen Schmetterling hab ich hier nicht gesehn

das war gewiss der allerletzte
denn Schmetterlinge leben nicht im Getto.

[Theresienstadt, 4. Juni 1942]

Dagmar Hilarová
Mai 1945

Es war Mai.
Und alle Blüten erschlossen sich ihm:
Blaue Fliederspindeln
Spulten ihren Duft ab.

Schwer wallte er über das Land.
Und jeder konnte die Freiheit greifen
Wie ein Blinder
Das Antlitz eines Menschen,
Der ihm teuer ist.

Es war Mai.
Zweige hatten Plaggen gehisst
Aus Blüten.
Trunkene Bienen suchten ihren Stock.
Die bitteren Jahre waren vorbei.
Frühlingswind
Verwehte letzten Schmerz
Aus der Brust.
Es war Mai
Und alles erblühte zur Freiheit.

[Theresienstadt]

Mif
Theresienstadt

Die allerschwersten Räder fahren über unsre Stirn
und bohren sich dort ein tief tief in das Gehirn

hier
standen wir mehr als genug
in jenem Schwarm der Schmach
die
eine Binde für Blinde
ihren Kindern geben wollte zum Beweis.

Das vierte Jahr des Wartens wie die Wartezeit an einem Sumpf
ob seine Quellen endlich Wasser geben

indes sinnlos und stumpf die Ströme einen andern
andern
Weg sich wählen aus zu wandern
und lassen dich nicht sterben und nicht leben

Kanonen brüllen nicht und still sind die Gewehre
hier fließt kein Blut
und nur der Hunger tanzt hier seinen stummen Reigen

Kinder stehlen Brot und stellen Fragen lastend schwere …
und alle möchten schlafen schlafen schweigen…

die allerschwersten Räder fahren über unsre Stirn
sie schnüren zu die Kehle
und bohren sich uns tief in die Seele

das können Jahre nicht verwehn…

[Theresienstadt 1944J

Mif
Dachbodenkonzert in einer alten Schule

Des Kirchendieners bleiche Finger schließen hart uns ein
und durch ein halb Jahrhundert
hat nie noch das Klavier dort solchen Druck gekannt
als gestern da es tönen musste
Schauermäre.

Wenn van Händen zwischen Wänden leise ader laute Schläge tönen
des Mannes Stirn war schwer wie vor dem Regen über uns das Wolkenmeer.
Die Federn
haben vor Begeisterung zu kreischen selbst vergessen
und durch ein halb Jahrhundert hat dieses Klavier nicht solchen
Druck gekannt

Der gute Freund genannt die Zeit
ist allen Zifferblätter nun entwichen
der Biene gleich
die schon genug gelebt
die schon genug an Honig aufgespeichert
und in der Sonne sich zu trocknen hingelegt.

Dort mit geschlossenen Augen wachen Menschen die nicht rasten
dort mit geschlossenen Augen blickt ein jeder nach den Tasten
wie auf die Ader welcher weich das Blut entließt
wenn du ein Lied ihr bringst und sie dein Messer küsst
Und jener Mensch hat alle Adern nachts geöffnet
hat alle Orgelpfeifen aufgemacht
bestachen hat er alle Vögel um zu singen
zu singen

auch wenn des Küsters harte Finger uns umschlingen
Und über deinen Tod neigst du das Haupt wie einst Beethoven
und deine Stirn war schwer wie vor dem Regen über uns das Wolkenmeer.

Es spielte Gideon Klein

[Theresienstadt]

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