Nieuwe gedichten Yang Lian

Yang Lian
SIEBEN NEUE GEDICHTE

in B. Labs-Ehlert (Hrsg), Das Künftige hat ein Morgen. Texte zur VII. Literaturbegegnung, Detmold 1998, pp. 93-99

ZOLL

Das Elegische der Elegie
Erdrosselt, das Band tief im See
Längst vergessen
das tote Pferd oder die Anmut
Der Wind heult

ZEIT

Entschwinden und Denken dieselbe Richtung

Nur wo geht das Licht vom Leib fort
Glocke oder Null derselbe Gedanke rund
drei Jahre schon tausend Herbste
lebendig oder nicht

Nur Gedenken wird zu
wo die Agaven sich beugen

RAUB

Die Schaden genommen hat so
schön der Nacken wie ein abgebrochener Satz
der Himmel als blauer Vordergrund

ln einem Federkleidlied ist ein Mondpalast
Leben oder Leid beide zu lang
Selbst wenn der Nacken schön ist wie

vor dem Pferd oder auf dem Hügel
Selbst wenn unser halber Satz aus Schmerz erwacht
Eine Geschichte nicht zufällig
verhalten
halt

PAARE

Zeichen, das sind Jade und Begehren, Läutern und Denken, rund und anfänglich,
Stütze und eines

Dazwischen nicht mal Ränke auf
demselben Tisch
unter der Inspektion einer Wolke

Zeichen, die liegen unter weißem Porzellan

Glocken im Regen armen Seelen
fehlt die Kraft, noch weiter zu gehen

Gedenken, das ist einmal sterben oder noch nicht
schlaflose Trompeten spielen
Weiße Baumrinde, das ist ein verkohlter Vogel
Drei Jahre schon Gedanken armer Seelen
Ein Licht kehrt um

entschwindet Mond der Mondfinsternis

STRAHLEN

Grün, wenn kein Baum, dann ein Auge
Liebe ist

Drei Jahre ein Gedicht mit dem Schluß
bis Oktober, das bedeutet

Entschwinden, entblößen
Helle Fenster in ungezügeltem Monatsfluß
Flüsse kopulieren mit geschlossenen Augen glücklose Blendung
Das Zeichen für Brücke greift überall nach dem dritten Lebensjahr,
dem schönsten

Schau, der Valentinstag ohne Muschelfleisch

Dämmerung, das bedeutet eine gelblackierte Küche
Für einen Rock bekommt man keine goldene Farbe
Betten in Herbergen, die Illusionen frönen,
halten mit Gedichten Schritt
Ans Ende denken, an Oktober
und schauen, ob das Glück so leicht kommt
wie eine Blüte im Fall, die sich vor den Sterbenden öffnet,
wie Augen und Gedichte auf der Flucht

SUCHE

Zukunft, einer Partikel gleich in Knochen geritzt
Man braucht nur, ein Gedicht von der Wirklichkeit abzuziehen

Unsere sechs Heere gehorchen nicht
Das gerüstete Pferd mit anmutiger Last galoppiert ins
Wortfeld Schneesturm

Die Äpfel halten in vollen Bäumen
selbst wenn es die Archäologie verbietet, der Kaiser
trinkt Tee, das weiße Papier altert ein wenig
ganz gleich wie

wie ist abends Zahlen sind Gefilde in der Begegnung
Der alte Jeep der Sterne wird einmal mehr zum Hüpfen gebracht
Die Kunst der Subtraktion kreiert einen großen Kristall unter den Bäumen
subtrahiert bis noch mehr

Rundes Dunkelheit
Null gebrochener Nacken
auf und davon Kinder
Hoffnung oder Entzündung dieselbe Klingel ertönt im Hörsaal des Fleisches
Das Land oder der Winterschlaf in der Flasche, beide unter braunem Sand
Die Zunge reckt sich zwischen zwei Verben
bewegungslos zerstört ist immer nur einer
der wiederkommt

GEDICHT

Null

Entschwinden macht drei
Zeichen

Drei Herbste durchqueren ein Land

Fern

Dreimal die Vögel in den lichten, heilsamen Schatten

Verlassen

Dante wurde vom Schlüssel abgelehnt

Sich

Entschwinden ist Denken

Selbst

Alles Unwiederbringliche setzt heimlich zum nächsten Vers über

Von

Die lehmige Farbe des Chores ist richtig

Vorüber

Halten Die Wege der Heimat, die starben, werden von Gleisen gewiesen

Vorbei

Drei Abschnitte drei sehr ferne Wolken
Bestätigen

Absonderung

Sicher

Fallende Blätter sind rote Nägel tausendfach

Dieser

Zerkratzt die Noten das Sein hat keine Untergrenze

Moment

Das Entschwinden dringt in das Geliebte

Gedicht

Nach dem Tod die schöne Fabel
Ist

Aus dem Chinesischen
von Wolfgang Kubin

Nachbemerkung des Übersetzers: Die vorangehenden Texte sind im Grunde genommen unübersetzbar. Der Autor spricht von mit dem Hauptthema .
Dabei experimentiert er mit den einzelnen Bestandteilen der chinesischen Zeichen. Bindeglied ist das Zeichen für Gedicht, das in die Elemente , , aufgelöst wird. ln den Text ist außerdem des Tang-Dichters Bai Juyi (772 – 846) eingearbeitet, welches die berühmte Liebesgeschichte zwischen Ynag Guifei und Kaiser Minghuang behandelt. Da alles offen ist, ist jede Übersetzung beliebig.