Nelly Sachs

Nelly Sachs

bronnen:

  • Sachs Nelly – Holmqvist, B. (Hrsg), Das Buch der Nelly Sachs, Frankfurt am Main 1977 (Surhkamp)
  • Sachs, Nelly, Gedichte, Zürich 1966, (Coron Verlag)
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Völker der Erde

zerstöret nicht das Weltall der Worte,

zerschneidet nicht mit den Messern des Hasses

den Laut, der mit dem Atem zugleich geboren wurde.


Völker der Erde,

O dass nicht Einer Tod meine, wenn er Leben sagt –

und nicht Einer Blut, wenn er Wiege spricht –


Volken der aarde,

verwoest niet het heelal van de woorden,

snijd niet in stukken met de messen van de haat

de klank, die met de adem tegelijk geboren werd.


Volken der aarde,

dat niet een dood bedoelt, als hij leven zegt –

en niet een bloed, als hij wieg uitspreekt –


Zwischen

deine Augenbrauen

steht deine Herkunft

eine Chiffre

aus der Vergessenheit des Sandes.


Du hast das Meerzeichen

hingebogen

verrenkt

im Schraubstock der Sehnsucht.


Da säst dich mit allen Sekundenkörnern

in das Unerhörte.


Die Auferstehungen

diener unsichtbaren Frühlinge

sind in Tränen gebadet.


Der Himmel übt an dir

Zerbrechen.


Du bist in der Gnade.


Tussen

jouw wenkbrauwen

staat je herkomst

een chiffre

uit de vergetelheid van het zand.


Jij hebt het zeeteken

afgebogen

verzwikt

in de schroefstok van het verlangen.


Jij zaait je met alle sekondenkorrels

in het onvoorstelbare.


De opstandingen

van jouw onzichtbare lentes

zijn in tranen gebaad.


De hemel oefent aan jou

instorten.


Jij bent in de genade.


Was tatet ihr,

Als ihr die Hände van kleinen Kindern waret?

Hieltet ihr eine Mundharmonika, die Mähne

Eines Schaukelpferdes, fasstet der Mutter Rock im Dunkel,

Zeigtet auf ein Wort im Kinderlesebuch –

War es Gott vielleicht, oder Mensch?


Wat deden jullie,

toen jullie de handen van kleine kinderen waren?

Hielden jullie een mondharmonika vast, de lokken

van een schommelpaard, grepen jullie de rok van moeder in het

donker? Wezen jullie naar een woord in het kinderleesboek –

Was het God misschien, of mens?

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Im Morgengrauen,

Wenn ein Vogel das Erwachen übt –

Beginnt die Sehnsuchtsstunde allen Staubes

Den der Tod verliess.


O Stunde der Geburten,

Kreissend in Qualen, darin sich die erste Rippe

Eine neuen Menschen bildet.

Geliebter, die Sehnsucht deines Staubes

Zieht brausend durch mein Herz.


In het ochtendgloren,

als een vogel het ontwaken oefent –

begint het verlangensuur van alle stof

dat de dood verliet.


O uur van geboorten,

ronddraaiend in pijnen, waarin zich de eerste rib

van een nieuwe mens vormt.

Liefste, het verlangen van jouw stof

trekt bruisend door mijn hart.


Israel,

namenloser einst,

noch von des Todes Efeu umsponnen,

arbeitete geheim die Ewigkeit in dir, traumtief

bestiegst du

der Mondtürme magische spirale,

die mit tiermasken verhüllten Gestirne

umkreisend –

in der Fische Mirakelstummheit

oder mit des Widders anstürmender Härte.


Bis der versiegelte Himmel aufbrach

un du,

Waghalsigster unter den Nachtwandlern,

getroffen von der Gotteswunde

in den Abgrund aus Licht fielst –


Israël,

zonder naam eens,

noch door de efeu van de dood omsponnen,

werkte in het verborgene de eeuwigheid in jou, droomdiep

bestijg jij

de magische spiraal van de maandtoren,

de met diermaskers verhulde sterren

omcirkelend –

in de vissen mirakelstomheid

of met de steenbokachtige aanstormende hardheid.


Tot de verzegelde hemel openbrak

en jij,

grootste waaghals onder de nachtzwervers,

getroffen door de godswonde,

in de afgrond van het licht viel.


Wie weit dein Weg von der Segnung

den Aeon der Tränen entlang

bis zu der Wegbiegung

da du in Asche gefallen,


dein Feind mit dem Rauch

deines verbrannten Leibes

deine Todverlassenheit

an die Stirn des Himmels schrieb!


O solcher Tod!

wo alle helfenden engel

mit blutenden Schwingen

zerrissen im Stacheldraht

der Zeit hingen!


Hoe ver jouw weg van de zegen

langs de aeon van tranen

tot aan de wegkruising

waar jij in as gevallen,


jouw vijand met de rook

van je verbrandde lichaam

jouw doodverlatenheid

aan het voorhoofd van de hemel schreef!


Welk een dood!

waar alle helpende engelen

met bloedende vleugels

verscheurd in de prikkeldraad

van de tijd hingen

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Zuweilen wie Flammen

jagt es durch unseren Leib –

als wäre es verwoben noch mit der Gestirne

Anbeginn.


Wie langsam leuchten wir in Klarheit auf –

Soms net als vlammen

jaagt het door ons lichaam –

als was het nog verbonden met de sterren

van het begin.


Hoe langzaam lichten wij in helderheid op –


So steigt der Berg

in mein Fenster hinein.

Unmenschlich ist die Liebe,

versetzt mein Herz

in den Glanz deines Staubes.

Schwermut-Granit wird mein Blut.

Unmenschlich ist die Liebe.

Nacht und Tod bauen ihr Land

einwärts und auswärts –

nicht für die Sonne.

Stern ist ein versiegeltes Abendwort –

durchrissen

von der unmenschlichen Auffahrt

der Liebe.


Zo stijgt de berg

mijn venster binnen.

Onmenselijk is de liefde,

verplaatst mijn hart

in de glans van je stof.

Zwaarmoedig-graniet wordt mijn bloed.

Onmenselijk is de liefde.

Nacht en dood bouwen hun land

naar binnen en naar buiten –

niet voor de zon.

Ster is een verzegeld avondwoord –

doorscheurd

van de onmenselijke opgang

van de liefde.


Schlaf weht das Atemnetz

heilige Schrift

aber niemand ist hier lesekundig

ausser den Liebenden

die flüchten hinaus

durch die singend kreisenden

Kerker der Nächte

traumgebunden die Gebirge

der Toten

übersteigend


um dann nur noch

in Geburt zu baden

ihrer eigenen

hervorgetöpferten Sonne –


Slaap waait het ademnet

heilige schrift

maar niemand is hier leesbevoegd

behalve zij die liefhebben

die vluchten naar buiten

door de zingend cirkelende

kerkers van de nachten

droomgebonden de bergen

van de doden

overstijgend


om dan slechts nog

in de geboorte te baden

van hun eigen

tevoorschijngepottenbakte zon –


und ob in der Tragödie der Erde

bestimmt ist,

das Sternbild Marter

die blutig gerissene Kieme des Fisches

Wer weiss, wo die Sterne stehen

in des Schöpfers Herrlichkeitsordnung

und wo der Friede beginnt

mit seinem Rubinrot zu ergänzen,

den ersten Buchstaben

der wortlosen Sprache zu schreiben –


Wohl besitzt Liebe den Blick,

der durch Gebeine fährt wie ein Blitz

und begleitet die Toten

über den Atemzug hinaus –


aber wo die Abgelösten

ihren Reichtum hinlegen,

ist unbekannt.


Himbeeren verraten sich im schwärzesten Wald

durch ihren Duft,

aber der Toten abgelegte Seelenlast

verrät sich keinem Suchen –


un kann doch beflügelt

zwischen Beton oder Atomen zittern


oder immer da,

wo eine Stelle für Herzklopfen

ausgelassen war.


en of in de tragedie van de aarde

bepaald is,

het sterrenbeeld marteling

de bloedig gescheurde kiemen van de vis

Wie weet, waar de sterren staan

in de heerlijkheidsordening van de schepper

en waar de vrede begint

met zijn robijnrood te vervullen,

de eerste letters

van de woordloze taal te schrijven –


Wel bezit liefde de blik,

die door het gebeente schiet als een bliksemstraal

en begeleidt de doden

boven de ademhaling uit-


maar waar de afgelosten

hun rijkdom neerleggen,

is onbekend.


Frambozen verraden zich in het donkerste bos

door hun geur,

maar de afgelegde zielenlast van de doden

verraadt zich aan geen zoeken –


en kan toch bevleugeld

tussen beton en atomen trillen


of altijd daar,

waar een plek voor hartkloppingen

vrijgelaten was.

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Mit Wildhonig

die Hinterbliebenen

nährten

in frühen Gräbern

einbalsamierten Schlaf

und ausgewanderte Pulse

gossen Dattelwein

in die Bienenwabe

der Geheimnisse.


Im schwarzen Kristall der nacht

die eingeschlossene Wespe

der ausgetanzten Zeit

im Starrkrampf lag-


Aber du,

aber du,

wie nähre ich dich?


Alle Meilensteine aus Staub

überspringt die Liebe,

wie die geköpfte Sonne

im Schmerz

nur Untergang suchend.


Mit meinem Untergang

nähre ich dich –


Met wilde honing

de achtergeblevenen

voedden

in vroege graven

ingebalsemde slaap

en geëmigreerde pulsen

goten dadelwijn

in de bijenhoningraat

van de geheimen.


In het zwarte kristal van de nacht

de ingesloten wesp

van de uitgedanste tijd

in stijfkramp lag-


Maar jij,

maar jij,

hoe voed ik jou?


Alle mijlstenen uit stof

overspringt de liefde,

als de onthoofde zon

in pijn

alleen ondergang zoekend.


Met mijn ondergang

voed ik jou-


Lichter zum Trost

Warum weinst du, Seele, so hinieden?

Lächle, denn die Liebe ist gewiss –

Spiele, wenn auch eine Saite riss,

Was verstummt, das spielt in Gottes Frieden.


Trocknet, Tränen; siehe doch, es funkeln

Deine Lichter, die den Weg dir weisen –

Heimweh duftend, wie die Schwalben reisen

Deines Herzens Schläge aus dem Dunkeln.


Lichten ter troost

Waarom ween je, ziel, zo hier beneden?

Glimlach, want de liefde is gewis –

Speel nu, al sprong er een snaar,

wat verstomt, dat speelt in Gods vrede.


Droogt, tranen, zie toch, ze fonkelen

jouw lichten die jou de weg wijzen –

Heimwee riekend, net als zwaluwen reizen

de slagen van jouw hart vanuit het donker.


Chor der Tröster

Gärtner sind wir, blumenlos gewordene

Kein Heilkraut lässt sich pflanzen

Von Gestern nach Morgen.

Der Salbei hat abgeblüht in den Wiegen –

Rosmarin seinen Duft im Angesicht der

   neuen Toten verloren –

Selbst der Wermut war bitter nur für gestem.

Die Blüten des Trostes sind zu kurz

   entsprossen

Reichen nicht für die Qual einer

   Kinderträne.


Neuer Same wird vielleicht

Im Herzen eines nächtlichen Sängers

   gezogen.

Wer von uns darf trösten?

In der Tiefe des Hohlwegs

Zwischen Gestern und Morgen

Steht der Cherub

Mahlt mit seinen Flügeln die Blitze

   der Trauer

Seine Hände aber halten die Felsen

   auseinander

Von Gestern und Morgen

Wie die Ränder einer Wunde

Die offenbleiben soll

Die noch nicht heilen darf.


Nicht einschlafen lassen die Blitze der Trauer

Das Feld des Vergessens.


Wer von uns darf trösten?


Gärtner sind wir, blumenlos gewordene

Und stehn auf einem Stern, der strahlt

Und Weinen.


Koor van troosters

TUINDERS ZIJN WE, zonder bloemen nu

Geen heelkruid laat zich planten

Van Gisteren naar Morgen.

De salie in de bakermat is uitgebloeid –

Rosemarijn heeft haar geur in het aanschijn

   van de nieuwe doden verloren –

Zelfs de alsem was alleen gisteren bitter

De bloemen van de troost zijn te kort

   ontsproten

Zijn ontoereikend voor de pijn van een

   kindertraan.


Nieuw zaad wordt misschien

In het hart van een nachtelijke

   zanger gekweekt.

Wie van ons mag troosten?

In de diepte van de holle weg

Tussen Gisteren en Morgen

Staat de cherub

Draait met zijn vleugels de schichten

   van rouw

Zijn handen echter houden de rotsen

   uiteen

Van Gisteren en Morgen

Zoals de randen van een wond

Die open blijven moet

Die nog niet helen mag.


Niet inslapen laten de schichten van rouw

Het veld van het vergeten.


Wie van ons mag troosten?


Tuinders zijn we, zonder bloemen nu

En staan op een ster, die straalt

En wenen.

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DEINE AUGEN, o du mein Geliebter,

Waren die Augen der Hindin,

Mit der Pupillen langen Regenbögen

Wie nach fortgezogenen Gottgewittern –

Bienenhaft hatten die Jahrtausende

Den Honig der Gottesnächte darin gesammelt,

Deere Sinaifeuer letzte Funken –

O ihr durchsichtigen Türen

Zu den inneren Reichen,

Über denen soviel Wüstensand liegt,

Soviel Qualenmeilen zuo Ihm gehen –

O ihr erloschenen Augen,

Deren Seherkraft nun hinausgefallen ist

In die goldenen Überraschungen des Herrn,

Von denen wir nur die Träume wissen.

(uit Cyclus: Gebete für den toten Bräutigam)


Als de profeten zouden inbreken

door de deuren van de nacht,

met de dierenriem van demonengoden

als een afgrijselijke bloemenkrans

om het hoofd gewonden,

en de geheimen van de vallende en oprijzende

hemelen op hun schouders zouden wiegen


voor hen die allang uit afgrijzen zijn weggetrokken –


Als de profeten zouden inbreken

door de deuren van de nacht,

en de loop der sterren,

gegrift in hun handpalmen,

goud zouden laten oplichten


voor hen die allang in slaap zijn verzonken –


Als de profeten zouden inbreken

door de deuren van de nacht,

met hun woorden wonden slaand

in de velden van de sleur,

en een afgelegen oogst zouden binnenhalen

voor de dagloner


die ’s avonds allang niet meer wacht –


Als de profeten zouden inbreken

door de deuren van de nacht,

en een oor zouden zoeken als een vaderland –


Oor der mensheid,

jij, door brandnetels overwoekerd,

zou jij het horen?

Als de stem van de profeten

zou blazen

op de knekelfluiten van vermoorde kinderen,

lucht zou uitademen

die brandde van het gehuil van martelaren,

als zij een brug zou bouwen

van de zuchten van gecrepeerde grijsaards –


Oor der mensheid,

jij, bezig met luistervinkje spelen,

zou jij het horen?


Als de profeten

op de wieken van de eeuwigheid zouden binnenstormen,

als zij jouw gehoorgang zouden openbreken met de woorden:

Wie van jullie wil oorlog voeren tegen een geheim,

wie wil de sterrendood bedenken?


Als de profeten zouden opstaan

in de nacht der mensheid

zoals geliefden, die het hart van de geliefde zoeken,

nacht der mensheid,

zou jij een hart te vergeven hebben?

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bron: Nelly Sachs, Gedichte,  Zürich 1966, (Coron-Verlag)

IN DIESEM AMETHYST

sind die Zeitalter der Nacht gelagert

und eine frühe Lichtintelligenz

zündete die Schwermut an

die war noch flüssig

und weinte

Immer noch glänzt dein Sterben

hartes Veilchen

pag 352


Sie reden Schnee –

Das Stundentuch mit allen vier Weltzipfeln

trägt sich herein

Krieg und Sternenflug hocken beieinander

suchen Schutz dort wo die Nacht

voll Muttermilch überquillt

und mit schwarzem Finger winkt

wo die Neuentdeckungen für die Seelenfahrer harren

funkelnd in Finsternis

tief unter dem Schnee –

pag 388


Meine Liebe floss in dein Martyrium

durchbrach den Tod

Wir leben in der Auferstehung

pag 381


GESICHTE AUS DÄMMERUNG

Verlorenes der Toten

auch wir hinterlassen

unser Einsamstes den Neugeburten –


Einer dreht sich um

und sieht in die Wüste –

die Halluzination öffnet

die Wand der Sonnenwildnis

wo ein Ahnenpaar

die Sprache des enthüllten Staubes spricht

muschelfern unterm Siegel –


Wir frieren

und kämpfen mit dem nächsten Schritt

in Zukünftiges –

pag 389


Immer ist die leere Zeit

hungrig

auf die Inschrift der Vergänglichkeit –

In der Fahne der Nacht

mit allen Wundern eingerollt

wissen wir nichts

als dass deine Einsamkeit

nicht die meine ist –

Vielleicht dass ein Traum-verwirklichtes Grün

oder

ein Sang

aus der Vorgeburt schimmern kann

und von den Seufzerbrücken unserer Sprache

hören wir das heimliche Rauschen der Tiefe –

pag 390


Ahnungen

wandernde Ähren

auf schwarzem Feld –

liege neben mir

ausgewandert – luftig –

leblose Jenseitsentdeckung

Zwei zu Eins

oder Keins –

die Gesetze im Blitz der Stille verbrannt

am Rande hinausgebeugt

über mein aufgebahrtes Dasein –

pag 392


In der Zwischenzeit

reist die Liebe zuweilen ins Helle

die alle schützende Nacht

in Scherben schlägt


Posaune

des Jüngsten Tages Licht

mit Adlerflügeln schaudert der Leib

zu hoch entführt –

pag 393


Schließe ich die Augen

Sonnen rollen an ihrer Zeit

golden Heimat verlassend

und doch bewohnend

Mineral Weiß den Weg

in die aufgesparte Ewigkeit

befahrbar nicht mehr

nur bewusstlos in Liebe –

pag 395

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Im Meer aus Minuten

jede einzelne verlangt Untergang

Rettung-Hilfe haushoch verschlungene W orte

nicht mehr Luft

nur Untergang

raumlos

nur Untergang

Hoffnung wurde kein Schmetterling

Tod erschaffen so mühsam

Was den Gott verhüllt

auflösen in Sand

dieses Erstlingswort

das in die Nacht stürmt

rettungslos


Erde

Träne unter den Gestirnen –

ich sinke in deinen Überfluss –

pag 396


So tief bin ich hinabgefahren

über meine Geburt hinaus

bis ich den früheren Tod traf

der mich wieder verstieß

in diese singende Pyramide

um auszumessen das entzündete

Schweigereich

und ich sehne mich weiß nach dir

Tod – sei mir kein Stiefvater mehr –

pag 397


Wo nur finden die Worte

die Erhellten vom Erstlingsmeer

die Augen-Aufschlagenden

die nicht mit Zungen verwundeten

die von den Lichter-Weisen versteckten

für deine entzündete Himmelfahrt

die Worte

die ein zum Schweigen gesteuertes Weltall

mitzieht in deine Frühlinge –

pag 400


Immer noch um die Stirn geschlungen

den strengen Horizont der Krankheit

mit dem rasenden Aufstand des Kampfes –

die Rettungsleine in den Abgrund geworfen

das Nacht-Ertrinkende zu fassen –


O-A-O-A

Ein wiegendes Meer der Vokale

Worte sind alle abgestürzt –

pag 401

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Aber zwischen Erde und Himmel

beten immer noch die gleichen Psalmen

drehen sich in den Köchern aus strahlendem Staub –

Und die Taucher mit göttlichen Grüßen

finden kein Waisenreich

in den rosenroten Wäldern der Tiefe –

pag 406


CHOR DER STEINE

WIR STEINE

Wenn einer uns hebt

Hebt er Urzeiten empor –

Wenn einer uns hebt

Hebt er den Garten Eden empor –

Wenn einer uns hebt

Hebt er Adam und Evas Erkenntnis empor

Und der Schlange staubessende Verführung.


Wenn einer uns hebt

Hebt er Billionen Erinnerungen in seiner Hand

Die sich nicht auflösen im Blute

Wie der Abend.

Denn Gedenksteine sind wir

Alles Sterben umfassend.


Ein Ranzen voll gelebten Lebens sind wir.

Wer uns hebt, hebt die hartgewordenen Gräber der Erde.

Ihr Jakobshäupter,

Die Wurzeln der Träume halten wir versteckt für euch,

Lassen die luftigen Engelsleitern

Wie Ranken eines Windenbeetes sprießen.


Wenn einer uns anrührt

Rührt er eine Klagemauer an.

Wie der Diamant zerschneidet eure Klage unsere Härte

Bis sie zerfallt und weiches Herz wird –

Wahrend ihr versteint.

Wenn einer uns anrührt

Rührt er die Wegscheiden der Mitternacht an

Klingend von Geburt und Tod.


Wenn einer uns wirft –

Wirft er den Garten Eden –

Den Wein der Sterne –

Die Augen der Liebenden und allen Verrat –


Wenn einer uns wirft im Zorne

So wirft er Äonen gebrochener Herzen

Und seidener Schmetterlinge.


Hütet euch, hütet euch

Zu werfen im Zorne mit einem Stein –

Unser Gemisch ist ein vom Odem Durchblasenes.

Es erstarrte im Geheimnis

Aber kann erwachen an einem Kuß.

pag 104-105


IHR ZUSCHAUENDEN

UNTER DEREN BLICK getötet wurde.

Wie man auch einen Blick im Rücken fühlt,

So Fühlt ihr an euerm Leibe

Die Blicke der Toten.


Wieviel brechende Augen werden euch ansehn

Wenn ihr aus den Verstecken ein Veilchen pflückt?

Wieviel flehend erhobene Hände

In dem märtyrerhaft geschlungenen Gezweige

Der alten Eichen?

Wieviel Erinnerung wächst im Blute

Der Abendsonne?


O die ungesungenen Wiegenlieder

In der Turteltaube Nachtruf –

Manch einer hätte Sterne herunterholen können,

nun muss es der alte Brunnen für ihn tun!


Ihr Zuschauenden,

Die ihr keine Mörderhand erhobt,

Aber die ihr den Staub nicht von eurer Sehnsucht

Schüttelt,

Die ihr stehenbliebt, dort, wo er zu Licht

Verwandelt wird.

pag 59

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VIELLEICHT ABER  brauch Gott die Sehnsucht, wo sollte sonst sie auch bleiben,

Sie, die mit Küssen und Tränen und Seufzern füllt die geheimnisvollen Räume der Luft –

Vielleicht ist sie das unsichtbare Erdreich, daraus die glühenden Wurzeln der Sterne treiben –

Und die Strahlenstimme über die Felder der Trennung, die zum Wiedersehn ruft?

O mein Geliebter, vielleicht hat unsere Liebe in den Himmel der Sehnsucht schon Welten geboren –

Wie unser Atemzug, ein – und aus, bau eine Wiege für Leben und Tod?

Sandkörner wir beide, dunkel vor Abschied, und ich das goldene Geheimnis der Geburten verloren,

Und vielleicht schon von kommenden Sternen, Monden und Sonnen umloht.

pag 65


IM MORGENGRAUEN,

Wenn ein vogel des Erwachen übt –

Beginnt die Sehnsuchtsstunde allen Staubes

Den der Tod verliess


O Stunde der Geburten,

Kreissend in Qualen, darin sich die erste Rippe

Eines neuen Menschen bildet.


Geliebter, die Sehnsucht deines Staubes

Zieht brausend durch mein Herz.

pag 70


VERTRIEBENE

aus Wohnungen

Windgepeitschte

mit der Sterbeader hinter dem Ohr

die Sonne erschlagend –


Aus verlorenen Sitten geworfen

dem Gang der Gewässer folgend

dem weinenden Geländer des Todes

halten oft noch in der Höhle

des Mundes

ein Wort versteckt

aus Angst vor Dieben


sagen:Rosmarin

und kauen eine Wurzel

aus dem Acker gezogen

oder

schmecken nächtelang: Abschied

sagen:

Die Zeit ist um

wenn eine neue Wunde aufbrach

im Fuss.


Reissend wird ihr Leib

im Salz des Marter fortgefressen.


Hautlos

augenlos

hat Hiob Gott gebildet.

pag 290-291


WIE VIELE

ertrunkene Zeiten

im rauschenden Schlepptau des Kinderschlafes

steingen ein auf hoher See

in die duftende Kajüte

spielend auf mondenen Gebeinen der Toten

wenn eine Jungfrau mit der nachtgesprenkelten

Sonnenlimone

hineingeblendet

aus Schiffsuntergang.


Hilflos

auf und zu

schlagen der Augenblicke Schmetterlingstüren

unverschliessbar

für die goldenen Lanzen

die mordbrennenden

in das blutende Schlachtfeld der Kinderangst.


Was für Umwege sind zu gehen

für Herzschritte

bevor endlich

das Erinnerungsboot

das tagfahrende

erreicht ist –


Wie viele traumumspülte Grenzen der Erde

sind auszuziehen

bis Musik kommt

von einem fremden Gestirn –


Wie viele todkranke Eroberungen

müssen sie machen

ehe sie heimkehren

Mondmilch im Munde

in die schreiende Luft

ihrer hellbewimpelten Kinderspielplätze –

pag 306-307

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WIE VIELE HEIMATLÄNDER

spielen Karten in den Lüften

wenn der Flüchtling durch Geheimnis geht


wie viel schlafende Musik

im Gehölz der Zweige

wo der Wind einsam

den Geburtenhelfer spielt.


Blitzgeöffnet

sät

Buchstaben-Springwurzelwald

in verschlingende Empfängnis

Gottes erstes Wort

Schicksal zuckt

in den Blutbefahrenen Meridianen einer Hand –


Alles endlos ist

und an Strahlen

einer Ferne aufgehängt –

pag 321


  • Sachs Nelly – Holmqvist, B. (Hrsg), Das Buch der Nelly Sachs, Frankfurt am Main 1977 (Surhkamp)
  • Sachs, Nelly, Gedichte, Zürich 1966, (Coron Verlag)

(Nederlandse vertaling J.Hacking)